Soll ein Betrieb neu strukturiert werden, bringt sich dies notgedrungen diverse Veränderungen für die Belegschaft mit sich. Unter anderem stehen Versetzungen, Kündigungen sowie Gehaltskürzungen im Raum. Damit Arbeitnehmer dabei nicht den Kürzeren ziehen, ist bei jeder geplanten Betriebsänderung ein sogenannter Interessenausgleich vorgeschrieben.
Dabei verhandelt der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat darüber, ob, wann und in welchem Umfang die Änderungen stattfinden sollen. Da es zu den Hauptaufgaben eines Betriebsrats gehört, sich für die Belange der Beschäftigten einzusetzen, wird er auch in einem solchen Fall versuchen, zu erreichen, dass diese dabei so rücksichtsvoll wie möglich behandelt werden.
Kurz & knapp: Interessenausgleich
Bei einem Interessenausgleich kommt es zu Verhandlungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, bei denen es um eine geplante Betriebsänderung geht. Im Zuge der Verhandlungen soll eine Einigung darüber erzielt werden, ob, wann und die entsprechenden Änderungen zum Tragen kommen sollen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen hält das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) fest.
Nein, es ist nicht möglich, einen Interessenausgleich zu erzwingen. Arbeitgeber sollten sich jedoch trotzdem nicht weigern, mit dem Betriebsrat über einen solchen zu verhandeln, da sich ansonsten enorme finanzielle Nachteile für sie ergeben könnten. Unter Umständen haben betroffene Mitarbeiter schließlich in diesem Fall einen Anspruch auf einen Nachteilsausgleich. Mehr dazu können Sie an dieser Stelle in Erfahrung bringen.
Ein Sozialplan ist im Gegensatz zu einem Interessenausgleich wie eine Betriebsvereinbarung anzusehen und verfügt daher über eine weitaus stärkere rechtliche Wirkung, sprich: Betroffene Arbeitnehmer können die Rechte in einem Sozialplan vor Gericht einklagen. Auch der Betriebsrat knüpft seine Zustimmung zum Interessenausgleich häufig an die Aufstellung eines Sozialplans.
Ein Interessenausgleich ist laut BetrVG sowohl vom Arbeitgeber als auch vom Betriebsrat zu unterschreiben, sofern er zustande kommt.
In diesem Ratgeber informieren wir Sie darüber, welche Inhalte ein Interessenausgleich haben kann, wie die Verhandlungen darüber normalerweise ablaufen und wo die Unterschiede zwischen Sozialplan und Interessenausgleich liegen. Zusätzlich können Sie hier nachlesen, wann Sie als Arbeitnehmer im Falle einer Betriebsänderung einen Anspruch auf einen sogenannten Nachteilsausgleich haben.
Inhalt
Interessenausgleich: Definition des Begriffs
Bei einem Interessenausgleich verhandeln Betriebsrat und Arbeitgeber über eine geplante Betriebsänderung. Eine solche kann sich auf die Einschränkung, Stilllegung oder Verlegung des gesamten Betriebs oder nur bestimmter Teile beziehen.
Auch ein Zusammenschluss mit anderen Betrieben oder grundlegende Veränderungen in der Organisation des Betriebs können Gegenstand einer solchen Maßnahme sein. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen definiert das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).
Grundsätzlich sollen Arbeitgeber und Betriebsrat bei einem Interessenausgleich zu einer Einigung bzw. einem Kompromiss darüber kommen, ob, wann und in welchem Umfang die Änderungen erfolgen sollen. Da kein Betrieb dem anderen gleicht, können die Inhalte eines solchen Ausgleichs stets variieren. Allgemein werden darin jedoch die geplanten Maßnahmen beschrieben.
Ein Beispiel für einen Interessenausgleich bzw. seinen Inhalt zeigt diese Checkliste:
- Umfang und Zeitpunkt der Betriebsänderung in verschiedenen Schritten
- Kündigungsverzichte
- Massenentlassungen
- Beschränkung der Entlassungen auf bestimmte Arbeitnehmer
- Übernahme von Beschäftigten in andere Standorte des Unternehmens
- Umschulungsmaßnahmen
- Verlagerungen des Budgets zur Sicherung (noch) bestehender Arbeitsplätze
- Vereinbarung von Kurzarbeit
- Abbau von Überstunden
- Versetzungsangebote
Laden Sie hier kostenlos die Checkliste für einen Interessenausgleich herunter!
Bitte beachten Sie, dass es sich dabei nur um eine Vorlage handelt. Übernehmen Sie diese daher nicht unverändert.
Checkliste Interessenausgleich.doc
Checkliste Interessenausgleich.pdf
Was ist ein Interessenausgleich mit Namensliste?
Teilweise befindet sich eine Namensliste im Interessenausgleich, welche die Namen der Beschäftigten enthält, die entlassen werden sollen.
Befindet sich Ihr Name auf dieser Liste, erschwert dies eine Kündigungsschutzklage, da in diesem Fall davon ausgegangen wird, dass „die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse […] bedingt ist.“ (§ 1 Absatz 5 KSchG).
Dies bedeutet allerdings nicht, dass Sie die Kündigung einfach so hinnehmen müssen. Vor allem, wenn sich die Umstände des Interessenausgleichs wesentlich geändert oder Betriebsrat und Arbeitgeber Fehler gemacht haben, kann eine Klage dennoch erfolgreich sein.
Dieser Ablauf ist bei einem Interessenausgleich denkbar
Anschließend geben wir Ihnen einen Überblick darüber, wie ein Interessenausgleich bei einer Betriebsschließung oder -umgestaltung überhaupt zustande kommen kann:
- Zunächst einmal informiert der Arbeitgeber den Betriebsrat über die geplante Betriebsänderung.
- Daraufhin kommt es zu einer Verhandlung zwischen den beiden.
- Können sie sich an dieser Stelle bereits einigen, gilt der Interessenausgleich als beschlossen.
§ 112 Absatz 1 BetrVG besagt dazu:
Kommt zwischen Unternehmer und Betriebsrat ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung zustande, so ist dieser schriftlich niederzulegen und vom Unternehmer und Betriebsrat zu unterschreiben […].“
Ist es Betriebsrat und Arbeitgeber nicht möglich, zu einer Einigung zu kommen, weil ihre jeweiligen Interessen schlichtweg zu unterschiedlich sind, können sie anderweitige Möglichkeiten in Betracht ziehen:
- Nach dem Scheitern der ersten Verhandlung über einen Interessenausgleich kann die Bundesagentur für Arbeit hinzugezogen werden, um zu vermitteln.
- Führt auch dies nicht zu einer Einigung über den Interessenausgleich, ist es möglich, eine Einigungsstelle mit ins Boot zu holen. Diese hört sich beide Meinungen an und versucht anschließend, zwischen den Parteien zu vermitteln.
- Hat die Einigungsstelle Erfolg, kommt es zum Interessenausgleich. Scheitert sie ebenfalls, gibt es keinen Ausgleich.
Gut zu wissen: In der Regel wird neben dem Interessenausgleich auch ein Sozialplan während dem Ablauf der Verhandlungen erörtert. Wo die Unterschiede zwischen diesen beiden Vereinbarungen liegen, erklären wir im nächsten Abschnitt.
Inwiefern unterscheiden sich Interessenausgleich und Sozialplan?
Häufig ist bei einer geplanten Betriebsänderung nicht nur ein Interessenausgleich Bestandteil der Verhandlungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, sondern ebenfalls ein sogenannter Sozialplan. Die Unterschiede zwischen diesen beiden Vereinbarungen sehen wie folgt aus:
- Gegenstand eines Interessenausgleichs ist, ob, wann und wie die Änderungen im Betrieb erfolgen sollen.
- Bei einem Sozialplan hingegen geht es um die sozialen Folgen der Betriebsänderung. Er beinhaltet also beispielsweise Regelungen zu Abfindungen oder Lohnausgleichen.
Ein Sozialplan ist darüber hinaus wie eine Betriebsvereinbarung anzusehen. Arbeitnehmer, die von den geplanten Änderungen betroffen sind, können die Rechte in einem Sozialplan demzufolge vor dem Arbeitsgericht einklagen oder gegebenenfalls nachverhandeln, um beispielsweise eine höhere Abfindungszahlung zu erreichen. Zudem macht der Betriebsrat seine Zustimmung zum Interessenausgleich häufig von der Aufstellung eines Sozialplans abhängig.
Können sich Arbeitgeber und Betriebsrat in ihren Verhandlungen weder auf einen Interessenausgleich, noch einen Sozialplan einigen, entscheidet letztendlich die Einigungsstelle über die Aufstellung eines Sozialplans (§ 112 Absatz 4 BetrVG). Im Gegensatz zu einem solchen ist ein Interessenausgleich jedoch nicht erzwingbar. Dennoch sollten Arbeitgeber sich nicht weigern, mit dem Betriebsrat über einen solchen zu verhandeln, da sich ansonsten enorme finanzielle Nachteile für ihn ergeben könnten. Dazu mehr im nächsten Absatz.
Wann kommt es zu einem Nachteilsausgleich?
§ 113 Absatz 1 BetrVG befasst sich mit den Konsequenzen, die auf Arbeitgeber zukommen können, wenn sie eine Betriebsänderung durchführen, ohne im Vorfeld mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich verhandelt zu haben, die Verhandlungen verfrüht beendet oder grundlos von den vereinbarten Maßnahmen abweichen. Dort heißt es:
Weicht der Unternehmer von einem Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung ohne zwingenden Grund ab, so können Arbeitnehmer, die infolge dieser Abweichung entlassen werden, beim Arbeitsgericht Klage erheben mit dem Antrag, den Arbeitgeber zur Zahlung von Abfindungen zu verurteilen […].“
Ereilt Sie also als Beschäftigter entgegen der Vereinbarungen aus dem Interessenausgleich eine Kündigung, können Sie durch eine entsprechende Klage zu einer Abfindung kommen. Sind Ihnen darüber hinaus noch anderweitige wirtschaftliche Nachteile entstanden, ist der Arbeitgeber dazu verpflichtet, diese „bis zu einem Zeitraum von zwölf Monaten auszugleichen“ (§ 113 Absatz 2 BetrVG).
Kommt es zu einem Nachteilsausgleich, profitieren betroffene Mitarbeiter demzufolge ungemein davon, Arbeitgeber hingegen werden mit enormen finanziellen Nachteilen konfrontiert.
Um dies zu vermeiden, sollten Arbeitgeber sich also nicht von vornherein weigern, über einen Interessenausgleich zu verhandeln und alles dafür tun, um nicht gegen diesen zu verstoßen.
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