Kurz & knapp: Sozialauswahl
Der Betriebsrat kann die Sozialauswahl insoweit mitbestimmen, als dass er das Punkteschema als Auswahlrichtlinie mitbestimmen kann (§ 95 Abs. 1 Satz 1 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz)). Er kann das Schema einfordern und muss ihm zustimmen.
Die Sozialauswahl ist laut Definition eine Wahl des Arbeitgebers zwischen den Arbeitnehmern, an wen er die betriebsbedingte Kündigung ausspricht. Dabei zieht er verschiedene soziale Faktoren heran.
Der Arbeitgeber kann seine Arbeitnehmer vor der Sozialauswahl nach Altersgruppen einteilen, um vergleichbare Gruppen zu bilden und die Altersstruktur im Unternehmen auszugleichen. Im Rahmen der Sozialauswahl kommt den Kriterien die Gewichtung zu, die der Betriebsrat und Arbeitgeber ihnen im Rahmen des Punkteschemas zugewiesen hat. Die 4 Punkte, die er dabei berücksichtigen muss, lesen Sie hier nach.
Inhalt
Was ist eine Sozialauswahl bei betriebsbedingter Kündigung?
Wenn ein Unternehmen aus beispielsweise finanziellen Gründen nicht mehr alle Arbeitnehmer behalten kann, steht die Entlassung bevor. Doch welchen der Angestellten wählt er aus? Diese Wahl erfolgt nach gewissen Kriterien. Was genau die Sozialauswahl ist, die bei der betriebsbedingten Kündigung beachtet werden muss, erfahren Sie in unserem Ratgeber.
In einem Betrieb, in dem mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt sind, gelten die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes. Das bedeutet unter anderem, dass der Arbeitgeber einen Angestellten, der länger als sechs Monate dort beschäftigt ist, nur mit einem konkreten Kündigungsgrund entlassen kann. Diese Gründe können personen-, verhaltens- oder betriebsbedingt sein. Die ersten beiden liegen in den Eigenschaften oder dem Verhalten der Person begründet, während der letzte in der Sphäre des Unternehmens liegt.
Die betriebsbedingte Kündigung spricht der Arbeitgeber unter anderem aus, wenn die Weiterbeschäftigung wegen dringender betrieblicher Erfordernisse nicht möglich ist. Solche sind beispielsweise Betriebsstilllegungen, die Schließung oder Auslagerung von Abteilungen sowie Umstrukturierungsmaßnahmen. Der Arbeitgeber muss bei dieser Art der Kündigung eine Sozialauswahl treffen. Das heißt, er wählt den Arbeitnehmer aus, der nicht länger im Betrieb arbeiten darf. Daher kommt der Sozialauswahl die Bedeutung zu, die Wahl der Arbeitnehmers, der eine Kündigung erhält, nach fundierten Kriterien zu treffen.
Die betriebsbedingte Kündigung ist nur wirksam, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:
- Betriebliche Erfordernisse, die eine Weiterbeschäftigung ausschließen
- “Dringlichkeit” der Kündigung (keine Möglichkeit der Weiterbeschäftigung)
- Interessenabwägung (Das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwiegt gegenüber dem Interesse des Angestellten an der Fortsetzung der Anstellung.)
- Sozialauswahl (Beachtung von sozialen Gesichtspunkten bei der Auswahl des gekündigten Arbeitnehmers)
Die Kriterien der Sozialauswahl
Die Sozialauswahl ist im Gesetz in § 1 Abs. 3 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) geregelt. Danach muss der Arbeitgeber bei der Wahl des gekündigten Arbeitnehmers folgende Kriterien für die soziale Schutzbedürftigkeit “ausreichend” berücksichtigen:
- Dauer der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers
- Lebensalter
- Unterhaltspflichten des Angestellten
- Schwerbehinderungen
Die Kriterien muss der Arbeitgeber bei der Wahl innerhalb all der Arbeitnehmer beachten, die einen vergleichbaren, austauschbaren Arbeitsplatz verfügen. Er ist also verpflichtet, die Vergleichbarkeit vor der Sozialauswahl zu prüfen. Er sucht denjenigen aus, der am wenigsten sozial schutzbedürftig ist.
Die Auswahl erfolgt immer nur innerhalb eines Betriebs des Unternehmens. Die Sozialauswahl bei einer Versetzung des Arbeitnehmers in einen anderen Betrieb ist nicht anders zu beurteilen. Selbst wenn der Arbeitgeber zu einer Versetzung des Arbeitnehmers nach Vertrag berechtigt ist, kann er vergleichbare Angestellte einer anderen Abteilung oder Filiale nicht in die Sozialauswahl einbeziehen.
Da das Kündigungsschutzgesetz die Sozialauswahl auf diese vier Kriterien begrenzt, kann der Arbeitgeber keine eigenen Punkte festlegen, nach denen er seine Auswahl trifft. Allerdings besteht die Möglichkeit, dass beide Seiten zusammen vereinbaren, wie diese vier Kriterien zueinander gewichtet werden. Sie können für die Sozialauswahl ein sogenanntes Punkteschema festlegen.
Sozialauswahl: Das Punktesystem für eine angemessene Wahl
Das Punktesystem für die Sozialauswahl stellt Kriterien mit einer gewissen Wertung für die Auswahl zur Verfügung. Da das Gesetz das Verhältnis der einzelnen Punkte zueinander nicht festlegt, hat der Arbeitgeber bei deren Gewichtung einen gewissen Beurteilungsspielraum. Entscheidet der Arbeitgeber nach den festgelegten Punkten, kann sich der Arbeitnehmer nur schwer auf einen Auswahlfehler berufen. Ein Gericht kann die Sozialauswahl nur auf grobe Fehler hin überprüfen. Das Punkteschema ist eine Art Richtlinie, die der Angestellte mitbestimmen kann. Konnte er bei dem Punkteschema bei der Sozialauswahl nicht mitreden, ist das kein Grund für die Unwirksamkeit der Kündigung. Das bestätigt das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seiner Rechtsprechung.
Das BAG akzeptierte ein Punkteschema mit folgenden Kriterien für die Sozialauswahl:
- Dienstjahre: 1 Punkt je Dienstjahr bis zu 10 Dienstjahren, 2 Punkte ab dem 11. Dienstjahr
- Lebensalter: 1 Punkt für jedes Lebensjahr
- Unterhaltspflichten: 4 Punkte für jedes unterhaltsberechtigtes Kind, 8 Punkte für einen Ehepartner
- Schwerbehinderungen: 5 Punkte für Schwerbehinderung mit bis zu 50 % Erwerbsminderung, 1 Punkt für jede weitere 10 % Erwerbsminderung
Bei den Punkten der Dienstjahre und des Lebensalters werden nur Zeiten bis zum vollendeten 55. Lebensjahr berücksichtigt. Eine Zergliederung nach Altersgruppen vor der Sozialauswahl ist möglich, um eine ausgewogene Altersstruktur im Betrieb herzustellen. Je mehr Punkte zusammenkommen, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit der Kündigung und desto besser der Schutz des Arbeitnehmers.
Die Sozialauswahl fällt zum Beispiel auf den Kollegen, der erst seit einem Jahr im Unternehmen arbeitet und keine Kinder oder einen Ehepartner hat. Dieser wird dann entlassen und nicht der Mitarbeiter, der seit 20 Jahren in der Firma tätig ist und Ehefrau und 2 Kinder hat.
Übrigens: Der Arbeitgeber stellt die Sozialauswahl in dem Punktesystem in einer Tabelle nachvollziehbar dar. Das sorgt für Transparenz und die Offenlegung der durchdachten Kündigungsentscheidung.
Ausschluss von der Sozialauswahl und Auswirkungen von Fehlern
Die Schwerbehinderung, von der ab einem Behinderungsgrad von 50 % gesprochen wird, gibt zudem einen Sonderkündigungsschutz. Eine ordentliche Kündigung ist nicht möglich. Schwerbehinderte, genau wie Betriebsratsmitglieder, Schwangere oder Arbeitnehmer, deren Kündigung durch Tarifvertrag wirksam ausgeschlossen ist, darf der Arbeitgeber nicht in die Sozialauswahl einbeziehen.
Für Angestellte, die noch keinen Kündigungsschutz genießen, weil sie noch keine 6 Monate im Unternehmen arbeiten, gelten ebenfalls nicht die Kriterien der Sozialauswahl. Sie kann der Verantwortliche vorrangig entlassen.
Wenn der Arbeitgeber bei der Sozialauswahl die Punkte falsch berechnet und das Auswirkungen auf die gekündigte Person hat, so waren nach früherer Rechtsprechung alle Kündigungen unwirksam. Seit dem Urteil des BAG vom 9.11.2006 (2 AZR 812/05) bleiben solche Kündigungen wirksam, wenn der Arbeitnehmer auch bei richtiger Erstellung des Planes gekündigt worden wäre. Dann führte der Fehler im Ergebnis nicht zu einer falschen Sozialauswahl. Eine betriebsbedingte Kündigung ganz ohne Sozialauswahl ist jedoch unwirksam, es sei denn, es gibt weniger oder genauso viele Arbeitnehmer als geplante Kündigungen.
Welche Funktion hat ein Sozialplan bei betriebsbedingter Kündigung?
Die Sozialauswahl geht der Kündigung nach einem Sozialplan voraus. Letzteren vereinbaren der Betriebsrat und der Arbeitgeber. Der Sozialplan enthält Punkte, um die Nachteile im Rahmen der Kündigung zu mindern oder auszugleichen. Beschlüsse zu Zuschüssen zu Fahrtkosten, Bewerbungskosten, Abfindungen oder Freistellungen sind Teil des Plans. Diese Pläne zum Nachteilsausgleich müssen nur bei einer Betriebsänderung erstellt werden.
Nach § 111 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) handelt es sich um eine Betriebsänderung, wenn der ganze Betrieb oder wesentliche Bestandteile eingeschränkt oder stillgelegt werden. Die Verlegung des Betriebs oder wesentlicher Bestandteile des Betriebes, eine Zusammenlegung mit anderen Betrieben oder eine Spaltung oder eine grundlegende Veränderung der Betriebsorganisation oder des -zwecks führen ebenfalls zu einer Betriebsänderung.
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