Kurz & knapp: Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)
Betriebliches Eingliederungsmanagement (kurz BEM) ist ein Verfahren, das Arbeitgeber seit dem 1. Mai 2004 vor dem Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung anwenden müssen. Mehr dazu in diesem Abschnitt.
Beim BEM müssen Sie grundsätzlich damit rechnen, dass das Verfahren je nach Fall unterschiedlich viel Zeit in Anspruch nimmt (meist mehrere Wochen oder Monate). Ausschlaggebend dafür ist, wann absehbar wird, ob der Arbeitnehmer wieder arbeitsfähig werden kann oder arbeitsunfähig bleibt.
Ein BEM-Verfahren lässt sich in verschiedene Phasen unterteilen. Eingeleitet wird es in der Regel über ein erstes Aufklärungsgespräch. Darauf folgen Umsetzungsversuche besprochener Maßnahmen und dazugehörige Fallbesprechungen, bis das BEM nach einem abschließenden Gespräch endet. Mehr finden Sie hier.
Ja, es steht Ihnen jederzeit frei, das BEM abzulehnen. Das zählt nicht als zulässiger Kündigungsgrund. Nur Ihr Arbeitgeber ist laut § 167 Abs. 2 S. 1 des neunten Sozialgesetzbuchs (SGB IX) verpflichtet, der Ursache Ihrer Arbeitsunfähigkeit auf den Grund zu gehen.
Inhalt
Definition für Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) – Was ist das?
Was genau bedeutet „BEM“? Und wann muss ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt werden? Gesetzliche Grundlagen dazu können Sie im neunten Sozialgesetzbuch finden. Allgemein lässt sich das BEM als ergebnisoffene Wiedereingliederung verstehen, bei der Sie und Ihr Arbeitgeber bestenfalls erreichen, dass Sie nach längerer Arbeitsunfähigkeit (z. B. aufgrund einer Krankheit) wieder arbeiten können und Ihren Job nicht verlieren.
Es gibt dabei weder eine zeitliche Befristung für die Länge des Verfahrens noch eine BEM-Einladungsfrist, die vorschreibt, bis zu welchem Zeitpunkt Arbeitnehmer von Ihrem Arbeitgeber dazu eingeladen werden müssen. § 167 Abs. 2 S. 1 des SGB IX schreibt lediglich vor, dass ein BEM-Verfahren immer dann notwendig wird, wenn ein Arbeitnehmer länger als 6 Wochen krankheitsbedingt ausfällt.
Die Arbeitsunfähigkeit muss allerdings nicht zwingend hintereinanderweg aufgetreten sein, sondern lediglich innerhalb von 12 Monaten. Das ist somit auch der Fall, wenn Sie bspw. im Februar 2 Wochen krank waren, im Juni nochmal 3 und im November wieder 1 Woche.
Wichtig: Selbst wenn die Voraussetzungen für ein BEM theoretisch erfüllt sind, muss es trotzdem nicht immer erforderlich sein (z. B. wenn Sie nach einem Skiunfall länger als 6 Wochen ausfallen, aber absehbar ist, dass Sie nach OP und Reha wieder gesund bzw. arbeitsfähig sein werden). Andernfalls ist Ihr Arbeitgeber immer in der Pflicht, Ihrem gesetzlichen Anspruch auf betriebliches Eingliederungsmanagement laut SGB IX auch nachzukommen.
Dabei haben Sie durchaus einige Vorteile, die für betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) sprechen. Nachteile gibt es für Arbeitnehmer allerdings auch. Datenschutzrechtlich gesehen ist die Offenlegung all Ihrer persönlichen Gesundheitsinformationen bspw. kritisch zu betrachten.
Die nachfolgende Übersicht stellt einmal beide Seiten für Sie gegenüber:
Vorteile
- Anpassungen des Arbeitsplatzes: Ihre Arbeitsumgebung wird beim BEM Ihren Bedürfnissen entsprechend gestaltet (bspw. durch ergonomische Optimierungen am Arbeitsplatz oder flexiblere Arbeitszeiten). Das soll Ihre Rückkehr zum Arbeitsalltag möglichst so erleichtern, dass Sie nicht wieder rückfällig werden und erneut länger ausfallen.
- Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit: Indem Sie im BEM gesundheitsbeeinträchtigende Risiken erkennen und beheben, bauen Sie Ihre Arbeitsfähigkeit wieder neu auf (besonders hilfreich bei Arbeitnehmern mit chronischen Erkrankungen oder wiederkehrenden gesundheitlichen Problemen).
Nachteile
- Überwachungsgefühl: Einige Arbeitnehmer nehmen das BEM mitunter als eine Art versuchte Kontroll- oder Überwachungsmaßnahme des Arbeitgebers wahr (besonders falls sie die Gründe für die Maßnahme nicht vollständig verstehen oder der Arbeitgeber sie vorab unzureichend darüber informiert).
- Potenzielle Interessenkonflikte: Das BEM ist ein betriebsinternes Verfahren, das in der Regel keine unabhängige Partei, sondern der Arbeitgeber veranlasst und durchführt. Dadurch könnten seine Verpflichtung, dem Arbeitnehmer zu helfen, und die Firmeninteressen im Konflikt zueinander stehen.
Wichtig: Ist betriebliches Eingliederungsmanagement laut Gesetz Pflicht für den Arbeitnehmer? Nein, Sie selbst sind nicht dazu verpflichtet, am Verfahren teilzunehmen bzw. dem überhaupt erst zuzustimmen. Sie können es also bspw. schon ablehnen, wenn Ihr Arbeitgeber Sie dazu einlädt.
Auch falls Sie im Einführungsgespräch mit den vorgeschlagenen BEM-Zielen oder -Maßnahmen nicht einverstanden sind, ist eine Ablehnung Ihrerseits jederzeit möglich. Das betrifft sowohl den öffentlichen Dienst als auch die Privatwirtschaft. Betriebliches Eingliederungsmanagement unterliegt laut TVöD (dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes) also keinen abweichenden Regelungen. Und egal wann Sie ein BEM abgelehnt haben, eine Kündigung durch den Arbeitgeber ist danach grundsätzlich unzulässig.
Video: BEM (betriebliches Eingliederungsmanagement) leicht erklärt
Alle beteiligten Parteien – Wer hat eine aktive Rolle beim BEM?
Nicht jedes BEM-Verfahren beteiligt die gleichen Parteien. Sie dürfen in der Regel nämlich selbst darüber entscheiden, wer dabei sein soll und wer nicht (abgesehen von Ihnen und dem Arbeitgeber).
Für betriebliches Eingliederungsmanagement kann ein Personalrat bzw. Betriebsrat also z. B. eine unterstützende Funktion für Sie einnehmen, weil dieser in der Regel immer die Arbeitnehmerinteressen vertritt.
Folgende Personen nehmen grundsätzlich an einem BEM teil:
- Sie, als betroffener Arbeitnehmer
- Ihr Arbeitgeber bzw. eine Person aus der Personalabteilung, die stellvertretend für diesen teilnimmt
- der Personal-/Betriebsrat (sofern vorhanden und mit Ihrer Zustimmung)
- die Schwerbehindertenvertretung (wenn es sich beim Arbeitnehmer um einen Schwerbehinderten oder Gleichgestellten handelt)
- fallspezifisch auch der Betriebsarzt und/oder ein Vertreter des Integrationsamtes, der Krankenkasse, Agentur für Arbeit, Rentenversicherung, etwaiger Rehabilitationseinrichtungen etc., wenn Sie dem zustimmen
Wichtig: Sie haben gemäß des Teilhabestärkungsgesetzes (TeilhStG) vom 2. Juni 2021 auch das Anrecht darauf, eine Vertrauensperson Ihrer Wahl mit in die BEM-Gespräche zu nehmen. Das kann z. B. der Ehe-/Lebenspartner oder ein anderer Angehöriger, aber auch Ihr Rechtsanwalt oder ein Physiotherapeut sein. Informiert Ihr Arbeitgeber Sie im Einladungsschreiben nicht über die Möglichkeit, dass Sie die Teilnehmer der Gespräche selbst bestimmen dürfen, ist jede im Anschluss an Ihr betriebliches Eingliederungsmanagement ausgesprochene krankheitsbedingte Kündigung unwirksam.
Was hat das BEM-Verfahren für einen Ablauf?
Betriebliches Eingliederungsmanagement durchläuft vom Ablauf her grundsätzlich die folgenden Phasen:
- Vorbereitungsphase: Zuerst stellt Ihr Arbeitgeber Ihre Fehlzeiten fest und prüft, ob die Voraussetzungen für ein betriebliches Eingliederungsmanagement gegeben sind. Wenn ja, informiert er Sie danach in einem Einladungsschreiben über den Vorschlag eines BEM, dass Sie die Teilnehmer dazu selbst bestimmen dürfen und bittet um Ihre Mitwirkung. Stimmen Sie dem Verfahren prinzipiell zu, findet in der Regel ein erstes Aufklärungsgespräch mit dem Arbeitgeber statt, um die Ziele des Verfahrens zu klären.
- Ursachenanalyse: Nach dem einführenden BEM-Gespräch folgen weitere Gesprächsrunden (die Anzahl kann fallspezifisch variieren). Dabei versucht der Arbeitgeber, mit Ihnen und den anderen teilnehmenden Parteien herauszufinden, wo die Ursachen für Ihre lange Arbeitsunfähigkeit liegen – ob diese wirklich nur krankheitsbedingt sind oder mitunter Missstände vor Ort dazu beitragen. Ein weiterer Hintergrund der Fallbesprechungen ist es, Lösungsansätze zu identifizieren und sich auf Maßnahmen zu einigen, die diese realistisch umsetzen können (bspw. bezüglich Ihrer Arbeitsabläufe, Arbeitszeit oder Ihren Aufgaben).
- Maßnahmenumsetzung: In diesem Schritt werden Maßnahmen über einen gewissen Zeitraum ausprobiert und durch den Arbeitgeber (bspw. über regelmäßige Feedbackgespräche) unterstützt. Stellt sich heraus, dass eine oder mehrere Maßnahmen nur bedingt hilfreich sind oder Sie negativ beeinträchtigen, lässt sich auch ein neuer Maßnahmenplan aufstellen. Phase 2 und 3 lassen sich so beliebig lange wiederholen.
- Abschlussphase: Stellen Sie und Ihr Arbeitgeber fest, dass die Maßnahmen wirken und eine erneute Arbeitsunfähigkeit auf absehbare Zeit unwahrscheinlich ist, endet das BEM mit einem abschließenden Gespräch.
Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) – mögliche Maßnahmen
Das Ziel eines BEM ist es, fallspezifische Maßnahmen zu sammeln, die Sie bei der Wiederaufnahme Ihrer Tätigkeit unterstützen.
Unter Mithilfe des behandelnden Arztes lässt sich zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber dafür ein mehrstufiger Wiedereingliederungsplan aufstellen. So können Sie mit der Zeit wieder schrittweise Ihre Erwerbstätigkeit aufnehmen – allerdings anfangs mit reduzierten Arbeitszeiten und weniger anspruchsvollen Aufgaben.
Grundsätzlich kann betriebliches Eingliederungsmanagement bspw. die Umsetzung folgender BEM-Maßnahmen anstoßen:
- den Versuch einer Belastungserprobung (d. h. unter in BEM-Gesprächen vereinbarten Voraussetzungen die Arbeit für eine bestimmte Zeit wieder aufzunehmen und danach auszuwerten, ob sowohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber positive Änderungen feststellen)
- ein Jobcoaching für den Arbeitnehmer (d. h. Sie werden für eine bestimmte Zeit am Arbeitsplatz betreut bzw. unterstützt, um Ihre Arbeitsfähigkeit Schritt für Schritt wieder herzustellen)
- die Beschaffung und anschließende Anpassung Ihres Arbeitsplatzes mit den für Sie erforderlichen Hilfsmitteln (bspw. falls Sie eine bestimmte Sitzgelegenheit oder etwaige technologische Ausrüstung benötigen, um im Büro arbeiten zu können)
- einen Arbeitsplatzwechsel innerhalb des Unternehmens (falls möglich und sich sonst eine Kündigung durch den Arbeitgeber nicht vermeiden lässt)
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