Strukturwandel in der deutschen Automobilindustrie

Die deutsche Automobilindustrie steht vor großen Herausforderungen. In Europa werden seit der Corona-Pandemie jährlich rund zwei Millionen Autos weniger verkauft als zuvor, was weitreichende Folgen für die Produktion hat.¹ VW, als einer der größten Arbeitgeber Deutschlands, sieht sich gezwungen, sich an die neue Marktrealität anzupassen. Im Rahmen eines umfassenden Sparplans schließt der Konzern erstmals auch Werksschließungen in Deutschland nicht mehr aus.²

VW-Beschäftigte reagieren mit Warnstreiks, Tarifverhandlungen scheitern

Neben Werkschließungen zieht VW auch Lohnkürzungen und betriebsbedingte Kündigungen in Betracht, um die Ausgaben zu verringern. Die Beschäftigten des Automobilkonzerns ringen angesichts solcher Sparmaßnahmen mit Existenzängsten und nehmen den Arbeitskampf auf. Der erste Warnstreik erfolgte Anfang Dezember, ein zweiter nur eine Woche später. Insgesamt beteiligten sich neun VW-Standorte (ausgenommen Osnabrück und die Komponentenfabrik in Hessen) an den Streiks.

Dabei zeigte sich die VW-Geschäftsführung durchaus gesprächsbereit und kam in den vergangenen Wochen bereits viermal mit der Gewerkschaft zu Tarifverhandlungen zusammen. Eine Einigung zwischen beiden Seiten blieb bislang jedoch aus. Die fünfte Tarifrunde ist für den 16. Dezember angekündigt. Ob sich tatsächlich eine Lösung ohne Schließungen und Entlassungen finden lässt, wie es die Gewerkschaft fordert, ist fraglich.

Die VW-Krise hat nicht nur Auswirkungen auf deutsche Standorte: Wie die „Wirtschaftswoche” berichtet, plant der Automobilkonzern derzeit den Verkauf seines chinesischen Werks in Nanjing. Die Fabrik ist u. a. für die Produktion verschiedener Škoda-Modelle verantwortlich, doch eben diese Marke verzeichnet seit der Corona-Krise massive Absatzeinbrüche auf dem chinesischen Markt. VW kommt somit nicht umhin, sich auch international neu zu strukturieren.

Über diese Karte

Diese interaktive Karte zeigt in der ersten Ansicht die elf Werke von VW in Deutschland³ sowie die Top 100 Automobilzulieferer.⁴ Die drei Werke, die Stand Dezember 2024 voraussichtlich von einer Werksschließung betroffen sind, sind farblich markiert.⁵ Zudem zeigt die Karte, wie viele große Automobilzulieferer es in Deutschland gibt. Es ist naheliegend, dass viele der Zulieferer von den VW Sparplänen betroffen sein werden. Doch damit nicht genug: So kann sich eine Werksschließung auch negativ auf lokale Geschäfte wie Bäcker, Restaurants und Einkaufsläden auswirken. Auch der Wohnungsmarkt könnte von einer Werksschließung betroffen sein. So ist davon auszugehen, dass Betroffene wegziehen, da sie beispielsweise für eine neue Arbeit ihren Wohnort wechseln müssen. Diese möglichen sekundären Effekte deutet der rote Kreis um die drei Werke Chemnitz, Osnabrück und Zwickau an.

In der zweiten Ansicht können sich Betroffene darüber informieren, in welchen Berufsgruppen der Bedarf an Arbeitskräften in den unterschiedlichen Bundesländern am höchsten ist. Die Analyse basiert auf der Fachkräfteengpassanalyse der Agentur für Arbeit aus dem Jahr 2023.⁶

Aus diesen Berufen setzen sich die Berufsgruppen der interaktiven Karte zusammen:

• IT und Programmierung (Informatik, IT-Systemanalyse, IT-Vertrieb, IT-Netzwerktechnik, IT-Koordination, IT-Administration, IT-Organisation)
• Softwareentwicklung und Programmierung)
• Werbung und Marketing
• Technische Mediengestaltung
• Dienstleistungen im Werk (Speisenzubereitung, Reinigung)
• Kaufmännische Berufe (Büro und Sekretariat, Personalwesen und Personaldienstleistung
• Kaufleute
• Verkehr und Logistik; Einkauf und Vertrieb; Handel; Rechnungswesen; Controlling und Revision; Verwaltung
• Technische und handwerkliche Berufe (Metallbearbeitung, Metallbau und Schweißtechnik, Maschinenbau und Betriebstechnik, Mechatronik und Automatisierungstechnik, Energietechnik, Elektrotechnik, Technische Forschung und Entwicklung, Technische Produktionsplanung)

Für das Ranking der Berufsgruppen, die den höchsten Bedarf in den jeweiligen Bundesländern haben, wurde der durchschnittliche Engpassindikator für die jeweilige Berufsgruppe berechnet. Auch die Einfärbung der Bundesländer basiert auf dem durchschnittlichen Engpassindikator.

VW-Werksschließungen hätten weitreichende regionale Folgen

Bereits die Schließung eines einzigen Werkes könnte zehntausende VW-Beschäftigte ihren Job kosten. Doch damit nicht genug:  Auch viele weitere Existenzen wären bedroht, denn der Wegfall eines bedeutenden Arbeitgebers ist in der Regel ein komplexer Prozess und hat meist weitreichende Folgen für die gesamte Region.

Dies beginnt bei Firmen, die unmittelbar mit VW zusammenarbeiten, wie z. B. Transportfirmen und Zulieferer. Diese müssen durch das Ausbleiben von Aufträgen des Automobilkonzerns massive Einnahmeausfälle fürchten, was letztendlich auch die Arbeitsplätze bei diesen Firmen gefährdet.

Andere örtliche Industriezweige sind ebenfalls betroffen, selbst wenn sie scheinbar wenig mit VW zu tun haben. Denn der Verlust von zehntausenden Arbeitsplätzen senkt die Kaufkraft innerhalb einer Region erheblich: Die vormals Beschäftigten haben kein (oder weniger) Einkommen und können somit auch weniger Geld ausgeben. Das wirkt sich wiederum auf die Einnahmen ansässiger Geschäfte aus, seien es Lebensmittelhändler, Friseure oder Reisebüros.

Und die Kettenreaktion zieht sich weiter: Fehlende Einkommen und geringere Einnahmen bewirken, dass die Kommunen weniger Steuern einnehmen und die Entwicklung der Region stagniert. Es fehlt an Geldern, um in soziale Projekte oder in die Infrastruktur zu investieren, worunter letztendlich die Zufriedenheit der Bevölkerung leidet.

Kurzum: Die Schließung eines VW-Werks würde weitaus mehr Menschen betreffen als nur die Angestellten des Konzerns. Ähnliche Auswirkungen zeigten sich z. B. in den 1970ern und 1980ern im Ruhrgebiet, wo damals infolge der Stahlkrise mehrere große Werke geschlossen werden mussten. Auch damals gingen zehntausende Arbeitsplätze verloren, es kam zu massiven Abwanderungen und schließlich erfolgte ein umfassender Strukturwandel in der Region. Ob sich die Gebiete rund um die gefährdeten VW-Standorte (Osnabrück, Chemnitz, Zwickau) tatsächlich in ähnlicher Richtung entwickeln werden, bleibt abzuwarten.

Job-Angebote rund um die gefährdeten Standorte

Sie fürchten, dass auch Ihr Arbeitsplatz von der VW-Krise bedroht ist? Falls Sie an einem der kritischen VW-Standorte – Chemnitz, Zwickau oder Osnabrück – beschäftigt sind, finden Sie in der folgenden Tabelle passende Stellenangebote* für Ihre Region. Die Auswahl richtet sich nach den Berufsgruppen, die von den Werkschließungen am stärksten betroffen sind und ist unterteilt in:

• Technische und Handwerkliche Berufe
• Dienstleistungen im Werk
• Werbung und Marketing
• IT und Programmierung
• Kaufmännische Berufe

Tech­ni­sche und Hand­werk­li­che Berufe

Dienst­leis­tun­gen im Werk

Wer­bung und Mar­ke­ting

IT und Pro­gram­mie­rung

* Die Stellenausschreibungen werden von den Job-Portalen Stepstone und Indeed zur Verfügung gestellt und regelmäßig aktualisiert. Die Redaktion von arbeitsrechte.de ist nicht verantwortlich für deren Inhalte.

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