Key Facts
- Das deutsche Antidiskriminierungsgesetz heißt offiziell „Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz“. Es verbietet Diskriminierungen aufgrund der Rasse, ethnischen Herkunft, Religion, einer Behinderung sowie des Alters, Geschlechts oder der sexuellen Identität.
- Das Antidiskriminierungsgesetz kommt im Arbeitsrecht zur Anwendung, gilt aber auch bei der Wohnungssuche und im alltäglichen Leben.
- Das Gesetz beinhaltet verschiedene Organisationspflichten des Arbeitgebers und gibt den benachteiligten Arbeitnehmern ein Beschwerderecht und einen Entschädigungsanspruch.
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz: Inhalt kurz erklärt

Inhalt
Ihr Kollege wurde vor kurzem befördert – nur aufgrund seines höheren Alters? Sie leisten als Frau denselben Job wie Ihr männlicher Kollege und bekommen trotzdem weniger Gehalt, obwohl Sie genauso qualifiziert sind und genauso lange im Unternehmen arbeiten wie er? Ihr Freund hat türkische Wurzeln und bekommt eine Wohnung nur deshalb nicht, weil der Vermieter sich weigert, an „Türken“ zu vermieten?
In solchen und ähnlichen Fällen greift das Antidiskriminierungsgesetz – dessen offizieller Name „Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz“ lautet. Gemäß § 1 AGG zielt es darauf ab, Benachteiligungen aufgrund der folgenden Merkmale zu verhindern oder zu beseitigen:
- Rasse und ethnische Herkunft
- Religion und Weltanschauung
- Behinderung
- Alter
- Geschlecht
- sexuelle Identität
Damit knüpft das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz an Art. 3 Grundgesetz (GG) an, wonach alle Menschen gleich sind – unabhängig von den benannten Merkmalen. Es stellt zahlreiche Regeln auf, die eine diskriminierungsfreie Behandlung von Bewerbern und Beschäftigten in allen Bereichen des sich anbahnenden oder bereits bestehenden Arbeitsverhältnisses sicherstellen sollen.
Achtung! Laut § 12 Abs. 3 AGG gilt das Diskriminierungsverbot auch für die Beschäftigten selbst. Diskriminieren sie ihre Kollegen, müssen sie mit einer Versetzung, Abmahnung oder sogar einer Kündigung rechnen. Denn die Arbeitgeber sind verpflichtet, gegen jede Diskriminierung vorzugehen.
Benachteiligungsverbot im Sinne des § 7 AGG
Der offizielle Name „Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz“ mag etwas irritieren, weil der Gesetzgeber keine absolute Gleichbehandlung bezweckt.
Er verbietet lediglich Benachteiligungen aufgrund der in § 1 AGG genannten Merkmale.
§ 3 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz definiert fünf Formen der Benachteiligungen:
- Unmittelbare Benachteiligung aufgrund der Diskriminierungsmerkmale
- Mittelbare Benachteiligung z. B. durch eine neutrale Regelung oder Maßnahme, die sich besonders nachteilig auf eine Person mit einem in § 1 AGG benannten Merkmals auswirkt
- Belästigung, welche die Würde einer Person verletzt oder die eine solche Verletzung bewirkt und ein Umfeld schafft, das von Anfeindungen, Entwürdigungen, Einschüchterungen und Beleidigungen geprägt ist
- Sexuelle Belästigung, z. B. durchsexuell bestimmte körperliche Berührungen, Äußerungen mit sexuellem Inhalt oder das unerwünschte Zeigen pornographischer Darstellungen
- Anweisung zu einem benachteiligenden Verhalten
Ungleichbehandlungen aufgrund der in § 1 AGG benannten Gründe sind zulässig, wenn ein sachlicher Grund dafür vorliegt. In den §§ 8, 9 und 10 AGG sind die Voraussetzungen für eine zulässige Ungleichbehandlung geregelt.
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz: Zulässige Ungleichbehandlungen
Schauen wir uns zwei Beispielfälle an, in denen eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist:
Bei bestimmten Tätigkeiten kann beispielweise die ethnische Herkunft sehr wichtig sein und deshalb eine „eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung“ im Sinne des § 8 AGG darstellen.
So funktioniert die Beratung von Menschen mit Migrationshintergrund nur, wenn Berater und Ratsuchender ein Vertrauensverhältnis aufbauen. Dafür ist es wichtig, dass der Berater aus einem Herkunftsland stammt, das nicht in Konflikt mit dem Herkunftsland des Ratsuchenden steht. Hier kann die in § 1 AGG gennannte ethnische Herkunft eine wichtige Voraussetzung für die Beratungstätigkeit sein.
Auch die Ablehnung eines Bewerbers mit Beeinträchtigung kann sachlich gerechtfertigt sein – und zwar dann, wenn der Bewerber aufgrund seiner Behinderung nicht in der Lage ist, die angestrebte Arbeit auszuführen. Ein Mensch, der auf einem Auge erblindet ist, kann beispielsweise nicht als LKW-Fahrer arbeiten, weil dafür eine Mindestsehstärke vorgeschrieben ist.
Gleichbehandlung bei der Stellenausschreibung: 11 AGG
Das AGG schützt nicht nur vor einer Diskriminierung am Arbeitsplatz, sondern verpflichtet Arbeitgeber bereits, den gesamten Bewerbungsprozess diskriminierungsfrei zu gestalten. Das beginnt laut § 11 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz mit der Stellenausschreibung und bedeutet insbesondere Folgendes:
- Geschlechtsneutrale Formulierung der Funktionsbezeichnungen wie Geschäftsführung oder Sachbearbeitung oder Benennung aller Geschlechtsformen (männlich/weiblich/divers) – Beispiel: Bezeichnungen wie „Assistentin der Geschäftsführung“ oder „Abteilungsleiter“ sind unzulässig
- Keine Altersangaben und keine Formulierungen wie „jung und dynamisch“ – Beispiel: „dreijährige einschlägige Berufserfahrung“ anstelle von „langjähriger Erfahrung“, sofern das für die ausgeschriebene Funktion erforderlich ist
- Keine Einschränkungen in Bezug auf Behinderungen – Formulierungen wie „körperlich uneingeschränkt leistungsfähig“ sind unzulässig, es sei denn diese Bedingung ist aus wesentlichen betrieblichen Gründen erforderlich – eine bevorzugte Einstellung schwerbehinderter Menschen bei gleicher Eignung ist laut § 5 AGG zulässig
- Gleichbehandlung in Bezug auf die ethnische Herkunft – unzulässig sind Stellenangebote, die sich an „deutschstämmigen“ oder „türkischen“ Menschen richten, und die Anforderung „Deutsch als Muttersprache“, weil hier die deutsche Herkunft als Maßstab zugrunde gelegt wird
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz fordert darüber hinaus eine diskriminierungsfreie Vorauswahl und ein diskriminierungsfreies Vorstellungsgespräch. Daher sind Fragen nach dem Alter, der Familienplanung oder einer Schwangerschaft ebenso unzulässig wie Fragen nach der Religion, einer möglichen Behinderung oder der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft oder Partei.
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz: Pflichten des Arbeitgebers nach § 12 AGG
§ 12 Allgemeines Antidiskriminierungsgesetz beinhaltet mehrere Organisationspflichten des Arbeitgebers, vor allem:
- (präventive) Maßnahmen zum Schutz aller Beschäftigten vor Benachteiligungen und Diskriminierungen
- Hinweis an alle Beschäftigten, dass solche Benachteiligungen unzulässig sind und zu unterbleiben haben
- Verhältnismäßige Abhilfemaßnahmen, wenn Beschäftigte gegen das Benachteiligungsverbot nach § 7 AGG verstoßen, z. B. Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung
- Aushang oder Auslegung des Allgemeinen Antidiskriminierungsgesetzes
Der Arbeitgeber muss eine Beschwerdestelle schaffen, an die sich benachteiligte bzw. diskriminierte Beschäftigte wenden können. Das kann eine einzelnen Person sein oder eine Stelle, die für das Beschwerdeverfahren zuständig ist.
Arbeitnehmerrechte nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz
Die Rechte der Beschäftigten sind in den §§ 13 ff. AGG geregelt:
- Beschwerderecht: Wer von einer Diskriminierung betroffen ist, darf sich bei Vorgesetzten, Gleichstellungsbeauftragten und bei betrieblichen Beschwerdestellen zu beschweren. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Beschwerde inhaltlich zu prüfen und dem Beschwerdeführenden das Ergebnis mitzuteilen.
- Leistungsverweigerungsrecht: Ergreift der Arbeitgeber keine (geeigneten) Gegenmaßnahmen, so darf der Beschäftigte seine Arbeit bei vollem Gehalt einstellen, soweit dies zu seinem Schutz erforderlich ist. Dieses Recht besteht jedoch nur bei Belästigungen und sexuellen Belästigungen.
- Schadensersatz und Schmerzensgeld: Im Falle einer Verletzung des Benachteiligungsverbotes haben Beschäftigte einen Entschädigungsanspruch. Während der Schadensersatzanspruch für materielle Schäden Vorsatz oder Fahrlässigkeit des Arbeitgebers hinsichtlich der Pflichtverletzung voraussetzt, besteht der Schmerzensgeldanspruch für immaterielle Schäden verschuldensunabhängig.
§ 7 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz: Beispiele und Urteile
Im Folgenden haben wir eine kleine Auswahl zur Rechtsprechung zusammengestellt:
Unmittelbare Benachteiligung aufgrund der Religion
Eine Muslima bewirbt sich für eine Ausbildung zur Arzthelferin. Der potentielle Vertragspartner lehnt ihre Bewerbung ab, weil sie auf seine Nachfrage hin angegeben hat, ihr Kopftuch auch während der Arbeitszeit tragen zu wollen. Gemäß § 15 AGG muss er der jungen Frau eine Entschädigung in Höhe von knapp 1.500 € zahlen.
[Quelle: ArbG Berlin, Urteil vom 28.03.2012, 55 Ca 2426/12]
Mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts
Ein Tarifvertrag setzt für den Zugang zur Pilotenausbildung eine Mindestgröße von 165 cm voraus – eine Bedingung, die statistisch mehr Frauen von der Ausbildung ausschließt als Männer. Zur Gewährleistung der Sicherheit im Flugverkehr ist eine Mindestgröße allerdings nicht erforderlich.
[Quelle: LAG Köln, Urteil vom 25.06.2014, 5 Sa 75/14]
Altersdiskriminierung durch Urlaubsstaffelung nach dem Alter
Sieht ein Tarifvertrag für Arbeitnehmer bis zum 40. Lebensjahr drei Tage generell weniger Erholungsurlaub vor als für ihre älteren Kollegen, so ist das eine unmittelbare Benachteiligung im Sinne des § 3 Abs. 1 Allgemeines Diskriminierungsgesetz. Den Urlaub derart pauschal zu staffeln, ist nicht berechtigt.
[Quelle: BAG, Urteil vom 11.12.2018, 9 AZR 161/18]
Keine mittelbare Diskriminierung wegen HIV-Infektion
Ein mit dem HIV-Virus infizierter Arbeitnehmer verlangt von seinem Arbeitgeber eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG, weil er angeblich wegen seiner Homosexualität gekündigt wurde. Vor Gericht legt er jedoch keine ausreichenden Indizien oder Beweise für eine solche Benachteiligung vor.
Dass der Arbeitgeber Kenntnis von der HIV-Infektion erlangt hat und kurze Zeit später die Kündigung ausspricht, reicht als Indiz nicht aus – vor allem dann nicht, wenn der Arbeitgeber die sexuelle Orientierung des Arbeitnehmers bereits zur Zeit der Einstellung kannte.
[Quelle: LAG Schleswig, Urteil vom 12.04.2018, 5 Sa 438/17]
FAQ: Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz im Arbeitsrecht
Das Gesetz schützt insbesondere Bewerber, Arbeitnehmer und Leiharbeiter, Auszubildende, Heimarbeiter sowie arbeitnehmerähnliche Menschen mit Behinderung und ehemalige Beschäftigte. Es richtet sich unter anderem an Arbeitgeber, Entleiher im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung (Zeitarbeit) und Auftraggeber.
Laut § 1 AGG zählen Alter, Geschlecht, sexuelle Identität, Behinderung, Religion und Weltanschauung, Rasse und ethnische Herkunft zu den Diskriminierungsmerkmalen.
Zwar sieht das Antidiskriminierungsgesetz keine Strafe vor. Es gibt dem benachteiligten Beschäftigten allerdings einen Entschädigungsanspruch. Mehr dazu lesen Sie hier.
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