Auch im Februar besteht noch die Gefahr, auf vereisten Straßen ins Rutschen zu kommen. Das Bundessozialgericht beschäftigte sich nun mit der Frage, wann ein Arbeitsunfall bei Glatteis vorliegt. Es hat entschieden, dass ein Test auf Glatteis keinen Arbeitsunfall darstellt. Ein Mann prüfte an einem kalten Wintermorgen die Straße auf Glätte, weil er einen Unfall auf dem Weg zur Arbeit vermeiden wollte. Er stürzte bei dieser Kontrolle und die Unfallkasse verweigerte die Zahlung. Sie sah darin keinen Arbeitsunfall. Das Gericht gab ihr nun Recht.
Vorbereitungshandlungen gehören in der Regel nicht zum Arbeitsweg
Ein Arbeitsunfall bei Glatteis liege in diesem Fall nicht vor, entschied das Bundessozialgericht (Az. B 2 U 3/16 R). In seiner Pressemitteilung vom 23. Januar 2018 heißt es hierzu:
„Prüft ein Arbeitnehmer, bevor er mit dem Auto zur Arbeit fährt, ob die Fahrbahn glatt ist und verletzt sich auf dem Rückweg zu seinem Auto, liegt darin kein versicherter Arbeitsunfall.“
In dem zu beurteilenden Fall hatte der Kläger nach Verlassen seines Wohnhaues seine Arbeitstasche in sein Auto gelegt, das auf seinem Grundstück stand. Anschließend ging er von seinem Grundstück auf die öffentliche Straße und prüfte dort die Fahrbahn auf Glatteis. Auf dem Weg zurück zum Auto stürzte er an einer Bordsteinkante und verletzte sich dabei am rechten Arm. Das Gericht sah darin keinen Arbeitsunfall bei Glatteis und begründete dies wie folgt:
- Nur der unmittelbare direkte Weg zur Arbeit ist von der gesetzlichen Unfallversicherung abgedeckt.
- Die Prüfung der Fahrbahnverhältnisse stellt eine Vorbereitungshandlung dar und gehört nicht zum versicherten Arbeitsweg.
- Nach ständiger Rechtsprechung sind nur solche Vorbereitungen versichert, wenn eine rechtliche Pflicht zu dieser Vorbereitungshandlung besteht oder wenn diese Handlung notwendig ist, um ein unvorhersehbares Hindernis zu beseitigen.
- Im vorliegenden Fall war keine dieser Alternativen gegeben. Denn es bestehe keine verkehrsrechtliche Pflicht für Autofahrer, die Straßenverhältnisse vor der Abfahrt zu prüfen.
- Der Richter bezeichnete das Verhalten des Klägers als „aus seiner Sicht vernünftig“. Bei der Abgrenzung zum gesetzlichen Unfallschutz seien jedoch objektive Anhaltspunkte erforderlich. Aus diesem Grund könne nicht jede vorsichtige Handlung versichert werden.
Zur Rechtslage: Was ist ein Arbeitsunfall?
Was ein Arbeitsunfall ist und damit vom Versicherungsschutz umfasst ist, regelt § 8 des Sozialgesetzbuchs Siebtes Buch (SGB VII):
„(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.
(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch
1. das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit, […]“
Auf dieser Gesetzesgrundlage wertete das Gericht das Prüfen der Fahrbahnverhältnisse nicht als Arbeitsunfall bei Glatteis. Darüber hinaus sind Abstecher vor und nach der Arbeit, z. B. zum Einkauf, Geld abheben oder Tanken, nach ständiger Rechtsprechung nicht versichert.
In einem anderen Fall wertete das Landessozialgericht Thüringen den folgenden unbeabsichtigten Umweg einer Arbeitnehmerin als „Abweg“: Sie verpasste den Ausstieg aus der Regionalbahn und stieg erst eine Haltestelle zu spät aus dem Zug. Als sie anschließend die Bahngleise überqueren wollte, um den Zug in die andere Richtung noch zu erreichen, wurde sie von einer Rangierlok erfasst und tödlich verletzt.
Die Berufsgenossenschaft erkannte dieses Unglück nicht als Arbeitsunfall an. Die Angehörigen der Frau klagten vor dem Thüringer Landessozialgericht. Dieses wertete die Weiterfahrt als „Abweg“. Auf diesem bestehe kein gesetzlicher Unfallversicherungsschutz mehr. Dieser Schutz lebe erst wieder auf, wenn sich der Versicherte wieder auf dem direkten Arbeitsweg befinde (Landessozialgericht Thüringen, Az.: L 1 U 900/17).
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