Unerwartet kann eine Berufserkrankung auftreten
Anstrengend kann jede Tätigkeit im Betrieb einmal sein. Ob psychische oder körperliche Belastung auf der Arbeit, viele Arbeitnehmer haben zumindest schon mit einer Variante Bekanntschaft gemacht. Psychischer Stress kann, zumindest in kurzen Intervallen, sogar der Produktivität zuträglich sein. Problematisch wird es aber, wenn Beschäftigte über lange Zeit bei der Beschäftigung ihrer beruflichen Tätigkeit gesundheitlich belastet werden und dann eine Berufskrankheit entwickeln.
Erkrankungen, die als Berufskrankheiten klassifiziert sind, können langfristig sein und schwerwiegende Folgen haben – dabei kann es sogar zu einer Berufsunfähigkeit kommen. Dieser Ratgeber beschäftigt sich intensiv mit dem Thema und beantwortet die Frage: „Was ist eigentlich eine Berufskrankheit?“ Neben der Definition des Begriffs wird geklärt, welche Liste der Berufskrankheiten offiziell gültig ist und was die gesetzliche Unfallversicherung damit zu tun hat.
Außerdem wird aufgezeigt, wie die Anmeldung und das Verfahren auf Anerkennung einer Berufskrankheit (die sogenannte BK-Anzeige) ablaufen, welche Leistungen als Entschädigung zu erwarten sind und welche Gerichtsurteile es in der jüngsten Vergangenheit dazu gegeben hat.
Inhalt
FAQ: Berufskrankheiten
Hierunter fallen arbeitsbedingte Erkrankungen eines Arbeitnehmers, die dieser infolge seiner Arbeitstätigkeit erleidet, weil er bestimmten Gefahren – z. B. gesundheitsschädlichen Substanzen laut Gefahrenstoffverordnung – weit mehr ausgesetzt ist als andere Menschen. Welche Krankheiten in diesem Sinne anerkannt sind, regelt die Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).
Die Leistungen beinhalten nicht nur Heilbehandlungen und Maßnahmen der Rehabilitation. Bei welchen Dingen die Unfallversicherung Erkrankte noch unterstützt, lesen Sie hier.
Zunächst müssen erkrankte Beschäftigte die Berufskrankheit bei ihrem Arbeitgeber melden. Dieser ist verpflichtet, die zuständige Berufsgenossenschaft zu informieren. Mehr zum genauen Prozedere erfahren Sie in diesem Abschnitt.
Die offizielle Liste der Berufskrankheiten und die Ursachen
Nicht jeder Arbeitnehmer, der lange im Berufsleben tätig ist, erkrankt schlussendlich an einer Berufskrankheit. So gibt es zwar kaum Berufsfelder, die völlig ohne typische Erkrankungen auskommen – einige Tätigkeiten sind aber stärker betroffen als andere. Es folgt eine Auswahl der häufigsten Berufskrankheiten:
- Infektionskrankheiten: Davon sind vor allem Ärzte und Pflegepersonal betroffen. Durch Körperflüssigkeiten, wie beispielsweise Blut, wird dabei die Infektion weitergereicht, wenn die Hygienemaßnahmen nicht ausreichen.
- Schwerhörigkeit durch Lärm: Diese Erkrankung verläuft oft schleichend. Bauarbeiter und Forstwirtschaftsarbeiter sind in der Regel davon betroffen. Ohrenschützer sollten in diesen Berufen und an anderen lauten Arbeitsplätzen nach Möglichkeit getragen werden.
- Erkrankungen der Haut: Der regelmäßige Kontakt mit Chemikalien, wie ihn beispielsweise Friseure erleben, kann diese auslösen.
- Auf Asbest bezogene Krankheiten: Ob Asbestose, Lungenkrebs oder Ähnliches – der Jahrzehnte alte Giftstoff macht heute noch Probleme, ist er doch in alten Gebäuden und Schiffen noch vorhanden. Viele Jahre nach dem Einatmen von Asbeststaub können solche Krankheiten ausbrechen. Regelmäßige Kontrollen sollten deshalb stattfinden.
- Chronische und degenerative Knieerkrankungen: Vor allem Fliesen- und Parkettverleger haben oft Leiden in diesem Bereich. Bewegung und Stärkung der Muskulatur in regelmäßigen Abständen beugt hier sprichwörtlich vor.
Ein offizielles Gremium überprüft bei Bedarf, ob die aktuell 77-Krankheiten-starke Liste erweitert oder modifiziert werden muss.
Wird eine neue Berufskrankheit hinzugefügt, erstellt der zuständige Sachverständigenbeirat eine individuell abgestimmte wissenschaftliche Empfehlung, die den Umgang damit vereinfachen soll.
Die offizielle BK-Liste wird aktuell in sechs Oberabschnitte und mehrere Unterabschnitte eingeteilt. Es folgt eine stark verkürzte Version, die einen Eindruck der gewählten Einteilung vermitteln soll.
Eine vollständige Version wird unter anderem von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin auf ihrer Internetseite herausgegeben:
- Chemische Einwirkungen als Ursache (beispielsweise Blei, Quecksilber oder Pestizide)
- Physikalische Einwirkungen als Ursache (Sehnenscheidenentzündungen, Bandscheibenvorfälle usw.)
- Infektionserreger als Ursache (diese können von Tieren auf Personen oder zwischen Menschen übertragen werden)
- Anorganische Stäube als Ursache (Lunge und Kehlkopf sind von verschiedenen, belastenden Staubarten betroffen, wodurch Folgeerkrankungen entstehen)
- Hautschäden als Ursache (schwere Hautveränderungen und vor allem Hautkrebs sind hier das Problem)
- Sonstige Ursachen (selten, aber anerkannt: das Augenzittern von Bergleuten)
Die Berufskrankheit melden
Alle versicherten Personen oder dessen Angehörigen haben die Möglichkeit, das Auftreten von Berufskrankheiten zu melden. Dabei kann sich an der offiziellen Auflistung der Berufskrankheitenverordnung orientiert werden. Auch Unternehmer oder Betriebsärzte sind hiervon betroffen. In ihrer verantwortungsvollen Position sind diese sogar zur Meldung verpflichtet. So kann auch eine ärztliche Anzeige bei Verdacht auf eine Berufskrankheit erfolgen und den folgenden Prozess in Gang setzen:
Zunächst kommt es zur sogenannten Arbeitsanamnese. Bei diesem Vorgang wird die Vorgeschichte des Versicherten genau unter die Lupe genommen, um die Anzeige auf Berufskrankheit zu prüfen.
Es wird untersucht, welche Belastungen und Einwirkungen während der Arbeit vorhanden waren und ob diese zum Krankheitsverlauf beigetragen haben können. Häufig werden hierzu Fragebögen verschickt, sowohl an die Erkrankten selbst als auch an die Betriebe.
Persönliche Unterredungen sind hierbei nicht ungewöhnlich. Auch die Analyse älterer Unterlagen gehört zur üblichen Prozedur (beispielsweise Dokumente über Schadstoffbelastungen am Arbeitsplatz). Außerdem wird bei Verdacht auf Berufskrankheiten wie folgt vorgegangen:
- Jede auskunftsfähige Person wird bei den Untersuchungen zum Fall der Berufskrankheit mit einbezogen (das können auch Betriebsräte, Arbeitskollegen und Sicherheitsbeauftragte sein).
- Neben allen Auskünften liegt ein wichtiger Fokus auf den ausgefüllten Fragebögen. Betroffene sollten diese also so genau und detailliert wie möglich ausfüllen. Oft kann niemand anders die herrschenden Bedingungen bei der Arbeit so gut beschreiben.
Kommt die Überprüfungskommission zu dem Schluss, dass eine Gefährdung am Arbeitsplatz vorliegt, bleibt weiterhin zu klären, ob die schadhaften Einflüsse aus medizinischer Sicht zur Berufskrankheit geführt haben können. Dazu werden in regelmäßigen Abständen der Krankenstand des Unternehmens ermittelt und das Gutachten eines Sachverständigen eingeholt. Die Träger der Unfallversicherung vergeben dafür Gutachtenaufträge an externe Fachärzte aus den verschiedenen Bereichen der Medizin.
Bevor schließlich eine endgültige Entscheidung zum vorliegenden Fall gefällt wird, sind noch zuständige Gewerbeärzte heranzuziehen. Sie bilden die Vertreter der Arbeitsschutzbehörden. Ob der Antrag auf Anerkennung der Berufskrankheit angenommen oder abgelehnt wird, erfährt der Versicherte durch einen schriftlichen Bescheid. Dabei ist wichtig: Innerhalb eines Monats kann gegen die Entscheidung Widerspruch eingelegt werden – darauf muss das Schreiben auch hinweisen. Nach Ablehnung eines Widerspruchs ist auch die Klage vor dem Sozialgericht möglich.
Leistungen für Betroffene
Jedem Versicherten mit einer Berufskrankheit stehen per Gesetz Leistungen zu. Welche das sind, wird für jeden Einzelfall entschieden. Die Anerkennung einiger Berufskrankheiten setzt eine Aussetzung der Tätigkeiten voraus, durch welche diese entstanden sind.
Dies gilt vor allem dann, wenn die Gefahrensituation im Arbeitsumfeld nicht beseitigt werden kann (wie es beispielsweise die Gefahrstoffverordnung für bestimmte Berufe vorgibt).
Kommt es wegen der Beendigung eines Berufsverhältnisses zu ernsthaften, wirtschaftlichen Nachteilen, müssen Übergangsleistungen gezahlt werden.
Dieses Übergangsgeld, welches während der Dauer berufsfördernder Leistungen gezahlt wird, kommt wie viele andere Unterstützungsmaßnahmen von der gesetzlichen Unfallversicherung. Diese bietet von Erkrankungen betroffenen Beschäftigten weiterhin folgende Hilfen an:
- Heilbehandlungen und Maßnahmen zur medizinischen Wiedereingliederung (Rehabilitation): Dazu zählen die Erstversorgung, die Medikamentierung, aber auch Krankengymnastik, Bewegungstherapien, häusliche Krankenbetreuung und Belastungserprobungen.
- Leistungen, die eine Teilhabe am Arbeitsleben ermöglichen: Hierzu zählen unter anderem Trainingsmaßnahmen, Umschulungen, Umgestaltungen von Arbeitsplätzen und Zuschüsse an die Arbeitgeber.
- Unterstützende Maßnahmen für das Leben in einer Gemeinschaft: Muss eine Wohnung behindertengerecht gemacht werden? Wird Unterstützung bei der Teilnahme am kulturellen und gemeinschaftlichen Leben benötigt? Auch hier greift die gesetzliche Unfallversicherung unterstützend ein.
- Weitere Geldleistungen: Neben dem oben erwähnten Übergangsgeld, kann bei Arbeitsunfähigkeit durch eine Berufskrankheit auch das sogenannte Verletztengeld bezahlt werden.
Urteile zu Berufskrankheiten aus der jüngeren Vergangenheit
Da ein Antrag auf Berufskrankheit (also auf Anerkennung dieser) auch von einzelnen Versicherten gestellt werden können und dabei oft Uneinigkeit zwischen den Parteien herrschen, haben die Sozialgerichte viel mit solchen Fällen zu tun. Im Folgenden werden einige Urteile aufgeführt, die einen guten Eindruck davon vermitteln, welche Voraussetzungen scheinbare Berufskrankheiten erfüllen müssen:
- Urteil vom 17.02.2016, zum Vorwurf „Tinnitus durch Bürolärm“ (Az. L 6 U 4089/15): Das Landessozialgericht Baden-Württemberg entschied, dass die Erkrankung eines 48-jährigen Ingenieurs (Tinnitus und Schwerhörigkeit im Hochtonbereich), der seit 15 Jahren in einem Großraumbüro gearbeitet hatte, nicht mit der Arbeitsumgebung zusammenhängt und keine Entschädigungen zu leisten sind. In diesem Fall fehlte dem Gericht zufolge der Nachweis einer hohen und andauernden Lärmbelastung.
- Urteil vom 20.10.2015, zum Vorwurf „Hepatitis als Berufserkrankung“ (Az. L 3 U 132/11): Das hessische Landessozialgericht entschied darüber, ob der Dienst, den eine ausgebildete Krankenschwester von 1987 bis 1992 bei einem Blutspendedienst verrichtet hatte, schlussendlich zu dem Zufallsbefund einer Hepatitis-C-Infektion im Jahr 2004 führte. Und die Klägerin bekam Recht, da das Infektionsrisiko im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung bei ihr für die genannte Dienstzeit besonders hoch war. Die Berufsgenossenschaft wurde aufgefordert, die Erkrankung anzuerkennen und zu entschädigen.
- Urteil vom 30.12.2014, zum Vorwurf „Hautkrebserkrankung durch Sonneneinstrahlung“ (Az. S 5 U 303/12): Ein Maurer, der 37 Jahre in dem Beruf gearbeitet hatte, klagte aufgrund einer festgestellten Hautkrebserkrankung. Auch er bekam das Recht auf Entschädigungen zugesprochen, da sogenannte Outdoor-Worker im Vergleich zur Restbevölkerung im hohen Maße der sonnenbedingten UV-Strahlung ausgesetzt sind.
Daorung S. meint
17. November 2024 at 11:56
Hallo!
Ich habe Karpal Tunnel Syndrom und wurde schon operiert. Trotzdem habe ich wahnsinnige Schmerzen. Ist KTS eine Berufskrankheit? Wenn ja, wie muss ich weiter vorgehen?
Danke im Voraus
N.S. meint
19. Januar 2023 at 13:33
Anerkennung Parkinson
Bin 55 Jahre und habe seit meinem 28 Lebensjahr Parkinson bin Landwirt, und zwar geht es darum Parkinson als wie BK in der Landwirtschaft anzuerkennen. In mehreren EU Länder wird diese anerkannt warum, hier nicht denke wir sind eins in Europa? Man hört nur es wird beraten, aber bisher kein Ergebnis, und das schon seit mehreren Jahren. Es ist bewiesen das Parkinson durch Pflanzenschutzmittel ausgelöst wird, warum tut sich das Gremium so schwer? Ich, bzw. auch andere Betroffene, möchten doch nur das Recht auf Entschädigung und Hilfe. Fragt sich nur wann!
Klaus meint
20. August 2024 at 12:02
Ich bin auch 55 Jahre alt und habe auch Parkinson.
Parkinson ist wegen keine BK, weil jeder diese Erkrankung bekommen kann und es gibt keine Statistik / Nachweiß, dass Parkinson bei Landwirten öfter auftritt, als bei Personen, die im Büro arbeiten.
Margitta meint
13. Oktober 2022 at 9:59
Hallo,
Ich arbeite in einer Lackiererei. Dort arbeite ich regelmäßig mit einer Pulverpistole. Nun wurde ich an 2 Fingern ( Schnappfinger) operiert. Leider nicht ohne Spätfolgen. Diese Schnappfinger sind nach Ansicht meiner Therapeuten durch die dauerhafte Haltung der Lackierpistole ( gerümmte Haltung der Finger) entstanden.Wie sind die Chancen auf Anerkennung einer Berufserkrankung ?
Martin meint
29. August 2021 at 15:53
Hallo,
Bei mir ist ein T1 G2 Urothel-Ca in der Harnblase festgestellt und operiert worden. Jetzt habe ich gelesen das das Krankenhaus oder der einweisende Arzt das an die Berufsgenossenschaft melden muss, denn ich bin in der Chemieindustrie tätig seid 35Jahren.Nun stellt sich für mich die Frage wer stellt wirklich den Antrag auf Berufsunfähigkeit ,Berufskrankheit? Und wie geht es weiter dabei. Denn ich habe geschweige von keinen etwas gehört ober ein Schreiben bekommen. Habe nächsten Monat eine Nachresektion der Harnblase. Muss ich selbst Aktiv werden um es meine Krankenkasse und Berufsgenossenschaft und Arbeitgeber melden oder wie läuft das ganze heut zu Tage ab. Wäre über einige Antworten dankbar.
Mit freundlichen Grüßen
Martin
Szugfil meint
22. August 2021 at 10:57
ich habe eine anerkante berufskrankheit auf beide knie das eine knie müsste operiert werden neues (kniegelenk ) doch die BG will nicht zahlen weil nur Meniskusschäden anerkant sind. Und die krankenkasse zahlt auch nicht weil eine Berufskrankheit besteht.
Marcel meint
17. April 2021 at 13:54
Hallo guten tag hätte da mal eine kurze Frage und zwar habe ich vor 2 Wochen einen Bandscheiben Vorfall erlitten und bin der Meinung das dieser durch meine Arbeitstätigkeit kommt wie kann ich das jetzt wenn es so wäre klarstellen
Mfg Marcel
Reinhard meint
17. August 2021 at 11:42
Das ist schwierig. Ein „Arbeitsunfall“ setzt immer eine äußere Einwirkung voraus. In der Regel werden Erkrankungen, die nicht eindeutig der Tätigkeit zuzuordnen sind, nicht anerkannt
Harald meint
4. März 2021 at 22:27
Bin Kfz-Mechaniker Meister und an Blasenkrebs erkrankt und wurde 12.2018 operiert.
Leider will die Berufsgenossenschaft Baden das nicht anerkennen.
Obwohl es ein hessisches Landgericht anerkannt hat.