Kurz & knapp: Fachkräftemangel in Deutschland
In Deutschland ist der Fachkräftemangel besonders in der Verkehr- und Logistikbranche, der Verkaufsbranche (bspw. im Einzelhandel), im Bereich der Mechatronik-, Energie – und Elektroberufe sowie im Gesundheitssektor (z.B. im Bereich der Pflege) ausgeprägt. Welche weiteren Branchen und Berufe von Fachkräftemangel betroffen sind, können Sie hier nachlesen.
Als hautpsächliche Ursache für den Fachkräftemangel und der folglich verlängerten Vakanzzeit in vielen Arbeitsverhältnissen gelten drei Entwicklungen, die auch als „die drei D“ bezeichnet werden: der Demografische Wandel (ein Ungleichverhältnis zwischen Arbeitnehmenden, die in Rente gehen, und berufsfähigen Nachwuchskräften), die Digitalisierung und der damit einhergehende Strukturwandel in vielen Branchen sowie die sogenannte Dekarbonisierung (Wegfall alter Arbeitsplätze im Zuge der notwendigen CO₂-Reduzierung und Entstehen neuer Jobs mit neuen Qualifikationsanforderungen).
Eine der Hauptmaßnahmen stellt die sogenannte neue Fachkräftestrategie der Bundesregierung dar. Hierbei handelt es sich um ein Maßnahmenpaket, das verschiedenartige Initiativen und Programme umfasst, die das Ziel haben die Aus- und Fortbildung von Arbeitnehmenden zu fördern, die Strukturen des Arbeitsmarkts attraktiver zu gestalten, ausländischen Fachkräften den Zugang zum Arbeitsmarkt sowie die Niederlassung in Deutschland zu erleichtern und die Arbeitsmarktintegration von geflüchteten Menschen zu unterstützen. Weiter Informationen zu den möglichen Gegenmaßnahmen finden Sie hier.
Inhalt
Definition: Was bedeutet Fachkräftemangel?
Der sogenannte Fachkräftemangel bezeichnet per Definition einen Mangelzustand, in dem eine bedeutende Anzahl offener Arbeitsstellen wegen dem Fehlen entsprechend ausgebildeter Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt nicht besetzt werden können und frei bleiben. Als Anzeichen für einen Fachkräftemangel in einer Branche gelten dementsprechend eine überproportionale Erhöhung der entgeltlichen Vergütung sowie ein gesteigerter Wettbewerb der Arbeitgebenden um entsprechend qualifiziertes Fachpersonal.
Gut zu wissen: Der Begriff des Fachkräftemangels ist klar von dem des sogenannten Arbeitskräftemangels zu unterscheiden. Letzterer liegt dann vor, wenn das Arbeitsangebot dauerhaft über dem Angebot an Arbeitskräften liegt; also Arbeitgeber aufgrund fehlender Arbeitskräfte grundsätzlich Schwierigkeiten haben, offene Arbeitsstellen zu besetzen, unabhängig von den Fähigkeiten und Qualifikationen, die mit der Anstellung einhergehen würden.
Was sind die Ursachen für den Fachkräftemangel in Deutschland?
Als wesentliche Gründe für den Fachkräftemangel gelten vor allen Dingen die sogenannten „drei Ds„. Hierbei handelt es sich um folgende rezente Entwicklungen:
- Demografischer Wandel: Der Fachkräftemangel steigert sich durch ein zunehmendes Ungleichgewicht zwischen Arbeitnehmenden, die in die Altersrente eintreten, und verfügbaren Nachwuchskräften.
- Digitaler Wandel: Die fortschreitende Digitalisierung der Gesellschaft bedingt eine weitreichende strukturelle Veränderung in zahlreichen Arbeitsbranchen. In der Folge verschwinden Arbeitsplätze oder verändern sich zumindest bedeutend, während neue Berufe mit veränderten Qualifikationsanforderungen entstehen.
- Dekarbonisierung: Im Verlauf der unerlässlichen Reduzierung der CO₂-Emissionen entstehen sogenannte Klima-Jobs, für die Arbeitskräfte neue Qualifikationen benötigen.
Auch die mangelnde Attraktivität der (dualen) Berufsausbildung wird als eine weitere Ursache für den Fachkräftemangel angesehen: So entschieden sich etwa 2020 lediglich 439.000 junge Menschen für eine duale Berufsausbildung. Zwar sei die Zahl der neuen Ausbildungsverträge laut Angaben des Statistischen Bundesamts (Destatis) im Jahr 2023 um 21 % gestiegen, falle aber immer noch um 6 % niedriger als im Jahr 2019 aus.
Darüber hinaus verstärkt das Nachsehen, das vor allem mittelständische deutsche Unternehmen im globalen Wettkampf innerhalb der internationalen IT-Branche haben, die Brisanz im Fachkräftemangel: Eine der Gründe hierfür ist, dass gut ausgebildete IT-Fachkräfte bei der Arbeitssuche selektiv vorgehen und sich aufgrund unattraktiver Arbeitskonditionen in Deutschland vermehrt für eine Anstellung im Ausland entscheiden.
Laut einer einer Langzeitstudie des Bitkom soll 2040 in der IT-Branche ein Fachkräftemangel von ca. 663.000 fehlenden IT-Spezialisten bestehen. Hierbei handelte es sich um einen Anstieg des Mangels um 510.000 Arbeitnehmende.
Fachkräftemangel: Welche Branchen und Berufe sind besonders stark betroffen?
Gemäß den Erhebungen von Statista sind ist das Fehlen von Fachkräften 2024 insbesondere spürbar in den Berufsgruppen
- der Verkehrs- und Logistikbranche (ca. 57.000 unbesetzte Stellen),
- der Verkaufsbranche (ca. unbesetzte Stellen 56.000) sowie
- in den Mechatronik-, Energie– und Elektroberufen (ca. 49.000 unbesetzte Stellen).
Weiterhin ist der Fachkräftemangel ebenfalls im Gesundheitswesen (ca. 48.000 unbesetzte Stellen) sowie im Bereich der Erziehung und der sozialen Berufe akut (ca. 36.000 unbesetzte Stellen). Zudem stellt ebenfalls ein Fachkräftemangel im Handwerk die Branche vor große Herausforderungen: In den letzten Jahren ist die Anzahl nicht abgeschlossener Ausbildungsverträge in handwerklichen Berufen stetig gestiegen.
Gemäß der Erhebungen von Statista zur Fachkräftelücke in Ausbildungsverhältnissen für die Jahre 2019/2020 ist der prozentuale Anteil unbesetzter Ausbildungsstellen besonders hoch I (29,6%), in der Kältetechnik (15,4 %) sowie in der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik (14,6 %).
Welche Folgen hat der Fachkräftemangel?
Zu den Folgen des Fachkräftemangels zählt angesichts daraus resultierende akuter personaler Engpässe zunächst eine deutliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für die Angestellten: So konfrontiert allein der Fachkräftemangel in der Pflege Angestellte mit überproportionalem Arbeitsdruck und Mehrarbeit.
Weiterhin kann der Fachkräftemangel die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft beeinträchtigen: Haben Unternehmen zudem Schwierigkeiten, offenen Stellen zu besetzen, kann dies beispielsweise zu Produktionsausfällen, Verzögerungen in den Lieferketten und schließlich Umsatzeinbüßen führen.
Vor allem hemme das Fehlen qualifizierter Fachangestellter in diesem Zusammenhang die Innovationskraft von Unternehmen: Wie Forschende des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung Mannheim (ZEW) in einer gemeinsamen Studie mit der Katholischen Universität KU Leuven (KU Leuven) feststellen, können Firmen, die von einem Fachkräftemangel betroffen sind, aufgrund fehlenden Know-Hows immer seltener innovative Projekte umsetzen.
Diesbezüglich zeigt eine weitere Studie des ZEW, die in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Augsburg (FH Augsburg) durchgeführt wurde, dass insbesondere das Fehlen von Fachkräften mit Berufsausbildung die Innovationskraft deutscher Unternehmen bremse.
Fachkräftemangel: Mögliche Lösungsansätze
Neben einer attraktiven geldlichen Vergütung, die es Angestellten und vor allem Auszubildenden ermöglicht, Ihren Lebensunterhalt ausreichend zu sichern, besteht ein Lösungsansatz darin, ungenutzte Ressourcen des Arbeitsmarktes zu erschließen bzw. zu optimieren und die Integration von Arbeitskräften zu fördern, die wegen der Arbeitsmarktstrukturen bisher benachteiligt werden.
Mögliche Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel auf der Ebene der Unternehmens- und Arbeitsmarktstruktur sind zum Beispiel:
- Menschen, vor allem Frauen, die sich in der sogenannten Familienphase befinden, den Verbleib bzw. den Wiedereinstieg in das Berufsleben zu erleichtern; bspw. durch eine flexible Arbeitszeitgestaltung und das Angebot von Kinderbetreuung im Unternehmen.
- Menschen mit Behinderung verstärkt inkludieren und diesen individuelle Qualifizierungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten zu eröffnen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Laut Angaben der Bundesagentur für Arbeit seien arbeitslose Menschen mit Schwerbehinderung im Durchschnitt besser qualifiziert und würden gerne arbeiten.
- Ältere Angestellte mit umfangreichem Fachwissen und langjähriger Berufserfahren verstärkt einbinden und Frührentner durch entsprechende Qualifzierungsangebote, ein solides betriebliches Gesundheitsmanagement sowie eine altersgerechte Arbeitsplatzgestaltung zur Rückkehr in die Arbeitswelt motivieren.
- Angestellte durch Fortbildungsprogramme und unternehmensinterne Schulungen unterstützen, damit diese auf dem Arbeitsmarkt wettbewerbsfähig bleiben können.
- Die Aufstockung von Teilzeitkräften.
- Die Möglichkeit zum hybriden Arbeiten.
- Verstärktes Employerbranding durch nachhaltiges Recruiting und eine aktive Mitarbeiterbindung.
Diese Maßnahmen basieren zu einem großen Teil auf der sogenannten Fachkräftestrategie der Bundesregierung.
Die Fachkräftestrategie der Bundesregierung als Grundmaßnahme gegen den Fachkräftemangel
Im Herbst 2022 verabschiedete die Bundesregierung mit der sogenannten Fachkräftestrategie ein Maßnahmenpaket zur Bewältigung des Fachkräftemangel in Deutschland. Das Ziel der Fachkräftestrategie besteht darin, die globale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands langfristig zu stärken und den Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften in sogenannten Schlüsselbereichen wie dem Gesundheitswesen oder der IT-Branche zu decken.
Das Schließen der Fachkräftelücke soll im Wesentlich durch Diversität der Arbeitnehmerschaft bzw. in der Arbeitswelt erreicht werden. Dementsprechend umfasst die Fachkräftestrategie die Förderung sogenannter inländischer Potenziale: Diverse Unterstützungsangebote sollen die Erwerbsbeteiligung und Arbeitsmarkteinbindung von Frauen, Menschen mit Behinderung sowie älteren Arbeitskräfte (s.o.) vorantreiben.
Da die Förderung inländischer Arbeitskräfte allein nicht ausreichen wird, um den bestehenden Fachkräftemangel zu decken, will die Bundesregierung ebenfalls die Einwanderung ausländischer Fachkräfte erleichtern und geflüchtete Menschen verstärkt und gezielt in den Arbeitsmarkt integrieren.
Quellen und weiterführende Links
- Bundesagentur für Arbeit: Chance Inklusion - Menschen mit Behinderung können ein Baustein der Lösung für den Fachkräftemangel in der Region sein (Presseinfo Nr. 56, 29.11.23).
- Bitkom (Presseinformation): Mangel an IT-Fachkräften droht sich dramatisch zu verschärfen.
- Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (Pressmitteilung vom 16.08.23): Fachkräftemangel bedroht Innovationsfähigkeit.
- Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (Pressmitteilung vom 27.02.22): Das Fehlen von Fachkräften mit Berufsausbildung wird zum Innovationshemmnis.
- Statistisches Bundesamt (Pressemitteilung Nr. 151 vom 12. April 2024): Duale Berufsausbildung: Zahl neuer Ausbildungsverträge 2023 um 2,1 % gestiegen.
- Statista: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1233627/umfrage/ausbildungssituation-in-handwerksberufen-mit-den-groessten-fachkraefteluecken/.
- Statista: Berufsgruppen mit den meisten der BA gemeldeten offenen Arbeitsstellen am ersten Arbeitsmarkt in Deutschland (März 2024).
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