Kurz & knapp: Besonderer Kündigungsschutz bei Gleichstellung
Schwerbehinderte Menschen und gleichgestellte behinderte Menschen sind schwerer zu kündigen. Der Arbeitgeber muss vor Ausstellung der Kündigung eine Zustimmung des Integrationsamtes einholen. Mehr erfahren Sie hier.
Bei Schwerbehinderung und Gleichstellung schützt der Kündigungsschutz nicht komplett vor einer Kündigung. Eine Kündigung trotz Gleichstellung ist also möglich, bedeutet für den Arbeitgeber aber mehr Hürden.
Eine Gleichstellung sorgt für denselben Status einer Schwerbehinderung. Dadurch erhalten Sie z. B. einen besonderen Kündigungsschutz, Beschäftigungsanreize für Arbeitgeber und Betreuungen durch Fachdienste.
Inhalt
Besonderer Kündigungsschutz bei Gleichstellung – Was bedeutet das?
In erster Linie bedeutet eine Gleichstellung: Ihr Kündigungsschutz in Ihrem Job erhöht sich. Denn in diesem Fall muss Ihr Arbeitgeber sich gemäß § 168 Neuntes Sozialgesetzbuch (SGB IX) die Zustimmung des Integrationsamtes einholen, bevor er eine Kündigung überhaupt ausstellen kann bzw. darf.
Falls Sie sich die Frage stellen: Kann man bei einer Gleichstellung gekündigt werden? Trotz Schwerbehinderung oder Gleichstellung ist eine Kündigung aber auch mit besonderem Kündigungsschutz möglich. Unkündbar sind Sie in einem solchen Fall also nicht.
Die Zustimmung des Integrationsamtes benötigt Ihr Arbeitgeber für jede Form der Kündigung. Ebenso spielen die Gründe für eine Kündigung bei einer Gleichstellung und auch die Größe des Betriebs keine Rolle.
Sollte ein Antrag auf eine Kündigung beim Integrationsamt formuliert werden, wird dieses Ihre und die Interessen Ihres Arbeitgebers abwiegen. Ggf. unternehmen die Behörden dann Unterstützungsversuche, um Ihren Arbeitsplatz zu sichern, beispielsweise durch finanzielle Unterstützungen in Form von Lohnzuschüssen oder Hilfsmitteln am Arbeitsplatz.
Ebenso wird eine Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz innerhalb des Unternehmens geprüft. Stellt sich heraus, dass die Unterstützungen für den Arbeitgeber zumutbar sind, muss er diese umsetzen. Der Zweck dieser Vorgehensweise ist, dass Schwerbehinderte und Menschen mit einer Gleichstellung vor einer Kündigung aus behinderungsbedingten Gründen besser geschützt werden sollen.
Per Gleichstellung zum besseren Kündigungsschutz: Ab wann ist das möglich?
Eine Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen kann natürlich nicht einfach so erfolgen. Sie müssen hierfür einen Antrag stellen und einige Voraussetzungen erfüllen. Erst dann erhalten Sie eine Gleichstellung und besseren Kündigungsschutz in der Folge.
Den Antrag auf Gleichstellung stellen Sie bei der Agentur für Arbeit. Zuvor sollte bereits Ihr Grad der Behinderung (GdB) für eine Gleichstellung festgestellt worden sein. Ist dies nicht der Fall, können Sie sich an Ihr zuständiges Versorgungsamt wenden, das Ihren GdB ermittelt.
Für Gleichstellung mit besonderem Kündigungsschutz muss dieser zwischen 30 und 50 liegen. Bei einem GdB von 50 oder höher gelten Sie bereits als schwerbehindert und benötigen keine Gleichstellung.
Im Folgenden erhalten Sie einen Überblick, was Sie für einen Antrag auf Gleichstellung mit einer Schwerbehinderung mit gesondertem Kündigungsschutz erfüllen müssen:
- Grad der Behinderung von über 30 und unter 50
- Dies ist per Untersuchung beim Versorgungsamt, einem Nachweis im Rentenbescheid Ihrer Unfallversicherung oder einem Gerichtsentscheid möglich.
- Bezug zu Deutschland
- Sie wohnen in Deutschland, halten sich regelmäßig in Deutschland auf oder sind wenigstens an einem deutschen Arbeitsplatz beschäftigt.
- Einschränkungen bei der Arbeitsplatzsuche durch Ihre Behinderung, z. B. durch …
- … häufige Fehlzeiten
- … eingeschränkte oder geringe Belastbarkeit
- … eingeschränkte Mobilität
- … fehlende Fähigkeit Aufgaben alleine zu bearbeiten, konstante Unterstützung durch Kollegen notwendig
Erfüllen Sie diese Bedingungen, können Sie bei der Agentur für Arbeit einen Antrag auf Gleichstellung stellen. Falls Sie sich bei einer Gleichstellung fragen: Ab wann gilt mein besonderer Kündigungsschutz? Ihr Kündigungsschutz beginnt ab der Antragsstellung, also auch rückwirkend, sofern die Agentur dem Antrag stattgegeben hat.
Haben Sie eine Kündigung erhalten, muss Ihr Antrag auf Gleichstellung mindestens drei Wochen vor Erhalt der Kündigung erfolgt sein. Andernfalls gilt kein besonderer Kündigungsschutz und Ihr Arbeitgeber kann Sie ohne Zustimmung des Integrationsamtes entlassen.
Beamte, Richter oder Arbeitnehmer mit besonderem Kündigungsschutz (z. B. Mitglieder eines Betriebsrats) erhalten trotz eines GdB von 30 selten eine Gleichstellung. Ihr Kündigungsschutz ist bereits erhöht, wodurch die Voraussetzungen für Gleichstellung mit Schwerbehinderten nicht erfüllt sind.
Kündigung bei Gleichstellung: Wann ist sie trotzdem möglich?
Ein Kündigungsschutz wegen Gleichstellung oder Schwerbehinderung macht Sie nicht automatisch unkündbar. Auch wenn es Arbeitgebern erschwert wird, eine solche Kündigung durchzusetzen, gibt es dennoch Ausnahmen, wann eine Kündigung auch bei Gleichstellung und Schwerbehinderung ohne Zustimmung vom Integrationsamt erfolgen darf.
Ausnahmen, in denen Sie keine Zustimmung durch das Integrationsamt für Ihre Kündigung benötigen, sind in § 173 SGB IX festgehalten. Teilweise nimmt dieser Paragraf dabei Bezug auf § 156 Abs. 2 Nummer 2 bis 5 SGB IX.
In diesem Fall könnte Ihr Arbeitgeber Ihnen z. B. dann eine zustimmungsfreie Kündigung ausstellen, wenn Ihre Tätigkeit im Betrieb nicht mit dem Fokus auf Erwerb ausgelegt ist. Wortwörtlich heißt es in § 156 Abs. 2 Nummer 2 SGB IX:
Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient, sondern vorwiegend durch Beweggründe karitativer oder religiöser Art bestimmt ist, und Geistliche öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften
§ 156 Abs. 2 Nummer 3 SGB IX beschreibt dagegen:
Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient und die vorwiegend zu ihrer Heilung, Wiedereingewöhnung oder Erziehung erfolgt
In § 156 Abs. 2 Nummer 4 SGB IX geht es um:
Personen, die an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nach dem Dritten Buch teilnehmen
Und § 156 Abs. 2 Nummer 5 SGB IX umfasst:
Personen, die nach ständiger Übung in ihre Stellen gewählt werden
Fallen Sie unter mindestens eine der vier Nummern, darf Ihr Arbeitgeber Ihnen gemäß § 173 Abs. 2 SGB IX ohne Rücksprache mit dem Integrationsamt eine Kündigung ausstellen. Gleiches gilt laut § 173 Abs. 3 SGB IX, wenn Sie das 58. Lebensjahr vollendet und Anspruch auf eine Abfindung oder ähnliche Leistungen erheben können.
Ebenfalls zustimmungsfrei sind außerdem Kündigungen, die von Ihnen als Arbeitnehmer ausgehen. Dies kann durch eine Eigenkündigung oder einen Aufhebungsvertrag geschehen. Wenn Sie sich mit Ihrem Arbeitgeber über eine Kündigung einig sind, bedarf es ebenfalls keiner Zustimmung.
Gleichstellung mit erhöhtem Kündigungsschutz: Auch in der Probezeit gültig?
Zusätzlich zu den zuvor genannten Ausnahmen gesellt sich bei einer Gleichstellung und einer Schwerbehinderung beim Thema Kündigungsschutz die Probezeit. Sie gehört ebenfalls zu den Fällen, in denen Ihr Arbeitnehmer keine Zustimmung für eine Kündigung beim Integrationsamt erfragen muss.
Das bedeutet für Sie und Ihren Arbeitgeber: In den ersten drei bis sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses gilt quasi ein Kündigungsschutz ohne Gleichstellung oder Schwerbehinderung. Dies ist der Zeitraum, den eine Probezeit üblicherweise andauert. Dann ist die Kündigung zustimmungsfrei trotz Gleichstellung und die Kündigungsfrist gegenüber dem Arbeitnehmer beträgt lediglich zwei Wochen.
Eine entsprechende Probezeit muss allerdings in Ihrem Arbeitsvertrag eindeutig schriftlich festgehalten werden. Ist dies nicht der Fall, sind Sie von Beginn an ohne Probezeit im Betrieb eingestellt und genießen bei einer Schwerbehinderung oder Gleichstellung den erhöhten Kündigungsschutz.
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