In Deutschland handelt es sich bei den Kirchen nach dem öffentlichen Dienst um den zweitgrößten Arbeitgeber. Die evangelische oder die katholische Kirche bzw. ihre Organisationen (Diakonie und Caritas) beschäftigen ca. 1,3 Millionen Mitarbeiter, für die entsprechend kirchliches Arbeitsrecht gilt.
Es handelt sich dabei sozusagen um einen Cocktail aus den allgemeingültigen Bestimmungen des staatlichen Arbeitsrechts und dem Selbstverständnis, den verfassungsmäßigen Rechten sowie den Rechtsvorschriften der Kirchen. Die Unterschiede zwischen den arbeitsrechtlichen Bestimmungen für „normale“ Arbeitnehmer und dem Arbeitsrecht der Kirche sind jedoch enorm.
Kurz & knapp: Kirchliches Arbeitsrecht
Arbeitnehmer, für die kirchliches Arbeitsrecht gilt, sollten mit den Grundsätzen des Glaubens ihres Arbeitgebers übereinstimmen und müssen sich sowohl auf der Arbeit als auch privat dementsprechend verhalten. Wie das Arbeitsrecht der Kirchen aufgebaut ist, erfahren Sie hier.
Begehen Arbeitnehmer einen Loyalitätsverstoß, kann die Konsequenz im kirchlichen Arbeitsrecht aus einer Kündigung bestehen.
Im Kirchenarbeitsrecht bestimmen weder Arbeitgeber noch Tarifverhandlungen über die jeweiligen Vorschriften zu Arbeitszeit, Urlaub oder Vergütung. Diese Aufgabe übernimmt ein spezielles Gremium (“Dritter Weg”). Weitere Infos dazu gibt es hier.
Wie das Arbeitsrecht der Kirchen aufgebaut ist, ob Mitarbeitern, für die kirchliches Arbeitsrecht gilt, eine Kündigung aufgrund ihres Verhaltens im Privatleben droht und was als „Dritter Weg“ der Kirche angesehen wird, erklären wir im Ratgeber. Zusätzlich informieren wir Sie über die Reform des kirchlichen Arbeitsrechts im Jahr 2015.
Inhalt
Kirchliches Arbeitsrecht: Wie ist es aufgebaut?
Das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgesellschaften stellt sozusagen den Mittelpunkt des deutschen Staatskirchenrechts dar. Verankert ist dieses Recht in Artikel 137 Absatz 3 der Weimarer Reichsverfassung (WRV), der nach Artikel 140 GG in das Grundgesetz eingegliedert wurde.
Alle Religionsgesellschaften sind demzufolge dazu berechtigt, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen – selbstständig und ohne staatliche Aufsicht.
Aufgrund dieses Selbstbestimmungsrechts steht es ihnen frei, innerhalb der allgemeingültigen Gesetze über ihr eigenes kirchliches Arbeitsrecht zu verfügen. Dieses lässt sich in drei Grundpfeiler aufsplitten:
- Loyalitätsverpflichtungen: Kirchliche Mitarbeiter sollten sowohl mit den Glaubens- und Moralvorstellungen ihres Arbeitgebers übereinstimmen, als auch in ihrem Privatleben danach handeln. Teilweise gilt auch der jeweilige Glaube als Einstellungsvoraussetzung, dabei kommt es allerdings auf die jeweilige Position des Arbeitnehmers an.
- Betriebliche Mitbestimmung: Beschäftigte, für die kirchliches Arbeitsrecht gilt, können sich weder auf einen Personal-, noch einen Betriebsrat verlassen. Stattdessen existiert hier eine sogenannte Mitarbeitervertretung, die dafür sorgt, dass sich Mitarbeiter kirchlicher Einrichtungen an Entscheidungen, die den Betrieb betreffen, beteiligen können.
- Überbetriebliche Mitbestimmung: Was im weltlichen Arbeitsrecht ganz normal ist, stellt im Kirchenarbeitsrecht eine Seltenheit dar: Grundlegende Arbeitsbedingungen setzt normalerweise weder der Arbeitgeber fest („Erster Weg“), noch werden diese durch Tarifverhandlungen bestimmt („Zweiter Weg“). Vielmehr gibt es besondere Gremien, die sich dieser Aufgabe widmen („Dritter Weg“). Sie bestehen aus Arbeitnehmern sowie Arbeitgebern, um ein Gleichgewicht zu schaffen.
Kann ein Loyalitätsverstoß zur Kündigung führen?
Wer in Einrichtungen der Kirche tätig ist, verpflichtet sich allgemein dazu, sowohl auf der Arbeit als auch privat den Grundsätzen seines Glaubens zu entsprechen. Beschäftigte, die sich nicht daran halten, mussten in der Vergangenheit tatsächlich mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen. Schlimmstenfalls drohte Mitarbeitern, für die kirchliches Arbeitsrecht gilt, eine Kündigung, wenn sie sich nicht entsprechend ihres Glaubens verhielten.
So erging es beispielsweise einem Chefarzt, der bereits seit dem Jahr 2000 in einer katholischen Klinik in Düsseldorf arbeitete. Daher fand bei ihm kirchliches Arbeitsrecht Anwendung. Die katholische Kirche verlangte also von ihm, dass er gemäß ihrer Moralvorstellungen handelt. Nachdem er sich allerdings von seiner ersten Frau scheiden ließ und seine neue Partnerin im Jahr 2008 heiratete, erhielt er ein Jahr später eine Kündigung.
Diese war darin begründet, dass eine Wiederheirat im katholischen Glauben keine Gültigkeit besitzt. Aus diesem Grund sah die katholische Kirche in puncto Arbeitsrecht darin einen schwerwiegenden Loyalitätsverstoß. Der betreffende Chefarzt wollte dies jedoch nicht auf sich sitzen lassen und leitete rechtliche Schritte gegen dieses Vorgehen ein. Im Jahr 2011 gab das Bundesarbeitsgericht (BAG) seiner Kündigungsschutzklage schließlich statt (Az.: 2 AZR 543/10).
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hob dieses Urteil nach einer Verfassungsbeschwerde der katholischen Klinik im Jahr 2014 auf (Az.: 2 BvR 661/12). Da das BAG damit nicht einverstanden war, wandte es sich an den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Dieser entschied im September 2018, dass die Kündigung des betroffenen Chefarztes nicht rechtens gewesen sei, da sie eine verbotene Diskriminierung wegen der Religion darstelle (Az. C-68/17).
Mitarbeiter, für die kirchliches Arbeitsrecht gilt, sollten sich demzufolge an einen Anwalt wenden und rechtliche Schritte einleiten, wenn ihnen aus solchen Gründen gekündigt wurde. Übrigens: Die katholischen sowie die evangelischen Kirchen verkörpern sozusagen jeweils ihr eigenes kirchliches Arbeitsrecht. Für die evangelische Kirche stellen beispielsweise Wiederheirat, Homosexualität oder Scheidung keine Gründe für eine Kündigung dar, was bei der katholischen etwas anders aussieht. Es ist also stets abhängig von der jeweiligen Kirche, welches Arbeitsrecht Anwendung findet.
Was ist der „Dritte Weg“ der Kirche?
Den Kirchen in Deutschland ist es aufgrund ihres Selbstbestimmungsrechts sogar erlaubt, ein eigenes Rechtssystem zu betreiben. Dieses ist als „Dritter Weg“ bekannt. Im Arbeitsrecht stehen Streiks, Aussperrungen oder Arbeitskämpfe mehr oder weniger an der Tagesordnung.
Dies lässt sich jedoch nicht mit den Moralvorstellungen der Kirche in Einklang bringen. Ähnlich verhält es sich bei der Festlegung von Arbeitsbedingungen durch den Arbeitgeber. Vor diesem Hintergrund wurde der sogenannte „Dritte Weg“ ins Leben gerufen.
Wie sich die Vorschriften zu Arbeitszeit, Urlaub oder Vergütung für Arbeitnehmer gestalten, für die kirchliches Arbeitsrecht gilt, bestimmt ein besonderes Gremium.
Dieses setzt sich aus Arbeitnehmern und Arbeitgebern zusammen. Der „Dritte Weg“ soll dafür sorgen, dass die Interessen der Mitarbeiter mit den Vorstellungen der Kirche vereint werden.
Alle Arbeitnehmer, bei denen kirchliches Arbeitsrecht Anwendung findet, sind automatisch von den Entscheidungen des Gremiums betroffen. Sie müssen weder in einer Gewerkschaft, noch in einem Verband Mitglied sein. Inzwischen gilt für viele kirchlich getragene Betriebe der Bundes-Angestellten-Vertrag in kirchlicher Fassung (BAT-KF).
Neues kirchliches Arbeitsrecht: Die katholische Kirche reformiert
Die deutschen (Erz-)Bischöfe haben bereits im Jahr 2015 ein spezielles Änderungsgesetz beschlossen, um das Arbeitsrecht der katholischen Kirche etwas zu liberalisieren. Immer wieder erregten Kündigungen von kirchlichen Mitarbeitern Aufsehen, die aufgrund von sogenannten „Loyalitätsverstößen“ ausgesprochen worden waren und nicht selten vor dem Arbeitsgericht landeten.
Generell verfolgt die katholische Kirche in Bezug auf ihr liberaleres kirchliches Arbeitsrecht drei Zielsetzungen:
- Bessere Beachtung der gelebten Rechtspraxis: Eine Wiederheirat zieht nicht in jedem Fall eine Kündigung nach sich, dies geschieht eher selten.
- Ausführlichere Bewertung von bestimmten Verhaltensweisen im privaten Bereich: Bei eingetragenen Lebenspartnerschaften oder Wiederheirat handelt es sich zwar um Loyalitätsverstöße, allerdings sollen die Bedingungen einer Kündigung konkretisiert werden. Nur in Fällen, welche Zweifel in Bezug auf die Glaubwürdigkeit der Kirche mit sich bringen, soll dies geschehen. Ansonsten haben Mitarbeiter, bei denen kirchliches Arbeitsrecht zur Anwendung kommt, mit anderen arbeitsrechtlichen Folgen zu rechnen.
- Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen in der Gesetzgebung des Staates, der Rechtsprechung und der Gesellschaft: Unter anderem sollen kirchliche Arbeitnehmer trotz des „Dritten Weges“ das Recht auf Streik haben.
K.S. meint
16. August 2023 at 19:30
hallo
ich arbeite in einem kath. Kindergarten jeweils Montag, Dienstag und Donnerstag insgesamt 18 Stunden
Es gibt seit 1woche eine neue Kindergartenleitung.
Heute wurde allen Mitarbeitern mitgeteilt dass sich für eine die Arbeitszeit ändert(ab sofort)
Ich soll nun Montags U. Dienstags 5 Stunden und Donnerstags 8 Stunden arbeiten.
Ich bin Alleinerziehende Mutter, mein Sohn ist 10 Jahre alt. er kommt jeden Tag um 14 Uhr aus der Schule und dann am Donnerstag keine Betreuung zu Hause.
Auf Fragen, warum die Arbeitszeiten verändert werden, könnte man keine Erklärung geben.
Muss ich diese Änderung der Arbeitszeit hinnet?
Gruß
Höing meint
7. November 2019 at 15:52
Es ist kaum zu glauben das es in der heutigen Zeit noch möglich ist ein eigenes Recht auszuüben zu dürfen, dieses ist für mich ein versagen unseres Staates der sich dadurch das leben und seiner Verpflichtung der Versorgungssicherheit für seine Bürger einfach machen will. (z.B.Kindergärten, Krankenhäuser u.s.w)verspätet Lohnerhöhungen, Streikrecht, Mitspracherecht für MAVen kaum Mitentscheidungen ,Druckmittel im Privatleben u.s.w
Mit freundlichen grüßen
Toni K. meint
11. September 2019 at 12:03
Meine Tante wird in einem Betrieb arbeiten, indem das kirchliche Arbeitsrecht gelten wird. Danke für den Tipp, in dem die Loyalitätsverpflichtungen verankert ist. Gut zu wissen, dass Mitarbeiter mit den Glaubens- und Moralvorstellungen ihres Arbeitgebers übereinstimmen sollten.