Arbeitnehmer, die ihr Arbeitsverhältnis kündigen und sich für die gesamte Dauer der Kündigungsfrist krankschreiben lassen, können unter Umständen ihren Anspruch auf Entgeltfortzahlung verlieren. Zu diesem Urteil gelangte das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein am 02.05.2023 im Fall einer Pflegeassistentin, die Zahlungsklage gegen ihre ehemalige Arbeitgeberin eingereicht hatte. Das Gericht hatte den Beweiswert der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung angezweifelt und war nicht von der angeblichen Arbeitsunfähigkeit der Klägerin überzeugt.
Krankschreibung nach der Kündigung: Bei Zweifeln kann der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung verweigern
In einem Fall aus dem Jahr 2022 hatte eine Frau Zahlungsklage gegen ihre Arbeitgeberin eingereicht. Diese verweigerte ihrer Angestellten nämlich die Entgeltzahlung, nachdem die Frau Ihre Kündigung eingereicht und sich anschließend für die gesamte Zeit der Kündigungsfrist hatte krankschreiben lassen.
Die ehemals als Pflegeassistentin beschäftigte Arbeitnehmerin hatte ihr Arbeitsverhältnis mit dem Datum vom 05.05.2022 schriftlich zum 15.06.2022 gekündigt. Im Kündigungsschreiben bat die Frau um die Zusendung einer einer Kündigungsbestätigung und der Arbeitspapiere an ihre Wohnanschrift. Ab dem 5. Mai blieb sie der Arbeit fortan fern und legte nach ihrer Kündigung wiederholt eine Krankschreibung vor.
Die Arbeitgeberin bezweifelte jedoch die angebliche Arbeitsunfähigkeit ihrer Mitarbeiterin und tätigte in der Folge keine Entgeltzahlung. Hierauf reichte die Pflegeassistentin zunächst erfolgreich Klage beim Arbeitsgericht Lübeck ein (Urteil vom 23.11. 2022, Az.: 5 Ca 973/22). Das LAG Schleswig-Holstein, das sich des Falls in zweiter Instanz annahm, revidierte dieses Urteil allerdings mit seiner Entscheidung am 02.05.2023 zugunsten der Arbeitgeberin: Das Gericht wies die Zahlungsklage wegen berechtigter Zweifel an der Krankheit der Arbeitnehmerin ab (Urteil vom 02.05.2023, Az.: 2 Sa 203/22).
Gericht bezweifelte den Beweiswert der Krankschreibung nach der Kündigung
In seiner Urteilbekundung verwies das LAG Schleswig-Holstein zunächst auf den grundsätzlich „hohen Beweiswert von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen.“ Hege der Arbeitgeber Zweifel an einer attestierten Arbeitsunfähigkeit eines Mitarbeiters, müsse er diese durch belastbare Nachweise belegen.
Im vorliegenden Fall erachtete das Gericht in Anlehnung eines Urteils des Bundesarbeitsgerichts (BGA) vom 8. 09.2021 (Az.: 5 AZR 149/21) den Beweiswert der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen in der „Gesamtbetrachtung aller Indizien als erschüttert“. Die Klägerin konnte das Gericht in Anbetracht der bestehenden Beweisaufnahme nicht von ihrer Arbeitsunfähigkeit überzeugen.
Dem Urteil zufolge könne der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht nur dann angezweifelt werden, wenn der Beginn der Krankschreibung nach einer Kündigung vollständig mit der noch verbleibenden Kündigungsfrist zusammenfalle. Weiterhin heißt es:
Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ist der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch erschüttert, wenn die Krankschreibung aufgrund mehrerer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen durchgehend bis zum Ende der Kündigungsfrist andauert, diese punktgenau den maximalen Entgeltfortzahlungszeitraum von sechs Wochen umfasst und sich aus dem Kündigungsschreiben ergibt, dass der Verfasser von vornherein nicht mehr mit seiner Anwesenheit rechnet.
Pressemitteilung zum Urteil des LAG Schleswig-Holstein vom 23.07.2023
Einen Abschluss des Rechtsstreits stellt das Urteil allerdings noch nicht dar: Die Revision wurde ist bisher nicht zugelassen, wodurch die Entscheidung bisweilen nicht rechtskräftig ist. Eine Nichtzulassungsbeschwerde (Az.: 5 AZN 389/23) wurde bereits eingereicht.
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