Das Bundesarbeitsgericht (BAG) stellte in einem aktuellen Urteil (Az. 5 AZR 127/24) klar, dass Arbeitgeber freigestellten Arbeitnehmern das Gehalt nicht verweigern dürfen, wenn von diesen nicht aktiv ein neuer Job während der Kündigungsfrist gesucht wird.
Besteht eine Bewerbungspflicht in der Kündigungsfrist?
Ein Senior Consultant erhielt eine ordentliche Kündigung und eine dreimonatige Freistellung. Der Arbeitgeber stellte dabei eine Bedingung an den Gekündigten: Ein neuer Job während dieser Kündigungsfrist. In dieser Zeit übermittelte er ihm 43 Stellenangebote aus Jobportalen.
Der Arbeitnehmer bewarb sich auf sieben dieser Angebote erst gegen Ende der Kündigungsfrist und reichte zudem eine Kündigungsschutzklage ein. Der Arbeitgeber stellte daraufhin die Gehaltszahlung für den letzten Monat der Freistellung ein.
Der Arbeitgeber argumentierte, der Arbeitnehmer sei verpflichtet, sich auf die übermittelten Stellen zu bewerben. Andernfalls liege ein „böswilliges Unterlassen von Verdienst“ gemäß BGB § 615 S. 2 vor, was eine Kürzung des Gehalts rechtfertige:
Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt.
Der Arbeitnehmer hielt dagegen, dass eine kurzfristige Vermittlung in eine neue dauerhafte Anstellung schwierig sei. Zudem bestünde die Gefahr einer Konkurrenzsituation zwischen altem und neuem Arbeitgeber. Er sah deshalb keine Verpflichtung darin, dass ein neuer Job während der Kündigungsfrist erforderlich ist.
Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden: Arbeitgeber darf Lohnfortzahlung nicht einstellen
Das Bundesarbeitsgericht entschied in seinem Urteil zugunsten des Arbeitnehmers. Es stellte klar, dass ein freigestellter Arbeitnehmer nicht automatisch verpflichtet sei, sich um eine neue Beschäftigung zu bemühen.
Ein „böswilliges Unterlassen eines anderweitigen Verdienstes“ könne nicht pauschal unterstellt werden. Vielmehr hätte der Arbeitgeber nachweisen müssen, dass eine Beschäftigung für den Arbeitnehmer zumutbar und realistisch gewesen wäre.
Das Gericht verurteilte den Arbeitgeber zur Nachzahlung des vorenthaltenen Arbeitsentgelts in Höhe von 6.440 Euro brutto zuzüglich Verzugszinsen. Der Arbeitgeber konnte auch nicht nachweisen, dass es für ihn unzumutbar war, den bestehenden Beschäftigungsanspruch des Klägers zu erfüllen. Daher bestand keine Verpflichtung für den Arbeitnehmer, dass ein neuer Job, bevor die Kündigungsfrist abläuft, von diesem gesucht werden muss.
Das Urteil klärt eine häufig umstrittene Rechtsfrage im Kündigungsrecht. Bereits 2023 hatte das BAG einen ähnlichen Fall entschieden (Az. 5 AZR 255/22), der sich allerdings auf eine Situation nach Beendigung des regulären Arbeitsverhältnisses bezog. Im vorliegenden Fall untersagte das Gericht die vorzeitige Einstellung der Lohnzahlung während der laufenden Kündigungsfrist.
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