Es gibt wohl keine Branche, die davor gefeit ist: Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist leider keine Seltenheit. Laut einer Statistik der Antidiskriminierungsstelle des Bundes aus dem Jahr 2015 haben mehr als 50 Prozent aller Arbeitnehmer in Deutschland bereits einmal Übergriffe sexueller Natur auf der Arbeit erlebt oder waren zumindest Zeuge.
Auch wenn es häufig Frauen sind, die sich sexuellen Anspielungen oder ungewollten Berührungen im Büro ausgesetzt fühlen, gibt es auch genug Männer, die wenigstens einmal in ihrer Berufslaufbahn mit Belästigungen dieser Art konfrontiert werden. Unabhängig vom Geschlecht gilt jedoch: Niemand sollte eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz einfach stillschweigend über sich ergehen lassen!
Kurz & knapp: Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz
Laut Gesetz liegt diese allgemein dann vor, wenn ungewollte sexuelle Handlungen oder Verhaltensweisen die Würde einer Person verletzen.
Arbeitgeber sind gemäß § 12 AGG dazu verpflichtet, ihre Beschäftigten vor sexuellen Übergriffen zu schützen. Weiterhin haben die Opfer das Recht, sich zu beschweren und ggf. die Arbeitsleistung zu verweigern.
Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer, die andere Mitarbeiter sexuell belästigen, müssen sich auf eine Abmahnung und bei wiederholtem Fehlverhalten auf eine Kündigung einstellen. Weiterhin kann ihnen eine Geld- oder Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren drohen, wenn die Tat strafrechtlich verfolgt wird.
Im Ratgeber informieren wir Sie zunächst einmal darüber, ab wann es sich überhaupt um sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz handelt und wie die unterschiedlichen Formen aussehen. Des Weiteren erklären wir, welche Folgen das Ganze für die Opfer haben kann, was Betroffene tun können und welche Strafen eine sexuelle Belästigung auf der Arbeit nach sich ziehen kann.
Inhalt
Wo beginnt sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz? Eine Definition
Bei der Entscheidung, ab wann es sich um sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz handelt, besteht die größte Problematik wohl darin, dass sich das persönliche Empfinden von Mensch zu Mensch unterscheidet. Dementsprechend fühlen sich manche Mitarbeiter/innen bereits durch einen schlüpfrigen Witz belästigt, wohingegen andere beherzt mitlachen.
Weiterhin ist die Grenze zwischen einem Flirtversuch und einem sexuellen Übergriff häufig sehr schmal. Sobald sich jemand belästigt fühlt, wird ihm daher nicht selten Überempfindlichkeit vorgeworfen. Wobei es sich allgemein um sexuelle Belästigung handelt, regelt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). In § 3 Absatz 4 AGG heißt es dazu:
Eine sexuelle Belästigung ist […] ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, [das] bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.“
Welche Formen der sexuellen Belästigung gibt es?
In der oben genannten Definition wurden bereits einige Beispiele genannt, wobei es sich um eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz handeln kann. Allgemein lassen sich diese in drei verschiedene Belästigungsformen unterteilen:
- Physisch: Zu dieser Kategorie gehören unerwünschte Berührungen jeglicher Art wie z. B. Streicheln, Umarmen oder Küssen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die jeweilige sexuelle Handlung vermeintlich zufälligerweise geschah. Auch körperliche Annäherungsversuche, die Ausübung von Gewalt oder sexuelle Übergriffe generell zählen dazu.
- Verbal: Eine weitere Form ist die mündliche sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Beispiele dafür sind anzügliche Witze, aufdringliche Bemerkungen oder zweideutige Kommentare über das Aussehen, die Kleidung oder zum Privatleben einer Person. Werden Beschäftigte zu sexuellen Handlungen aufgefordert oder zu Verabredungen intimer Art gedrängt, zählt dies ebenfalls in diese Kategorie.
- Non-verbal: Das Versenden von E-Mails, Fotos, SMS oder sogar Videos mit sexuellem Inhalt, anzügliches Starren oder Hinterherpfeifen erfüllt die Voraussetzungen für diese Kategorie. Eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz liegt auch dann vor, wenn pornographisches Material verbreitet wird oder sich die belästigende Person vor anderen Kollegen entblößt.
Beispielsweise kann niemand strafrechtlich verfolgt werden, der einer Frau in der U-Bahn eindeutig auf den Busen schaut. Geschieht das Ganze allerdings auf der Arbeit, macht sich der Betroffene ganz klar strafbar. Welche Folgen eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz haben kann, lesen Sie im nächsten Abschnitt.
Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz: Welche Folgen kann das Ganze haben?
Das wohl größte Problem ist, dass sexuelle Übergriffe auf der Arbeit häufig heruntergespielt werden. Verhaltensweisen, die zum Teil offensichtlich diskriminierend und unangebracht sind, werden entweder aus Gewohnheit einfach akzeptiert oder dem Opfer wird vorgeworfen, falsche Schlüsse gezogen und das Ganze viel zu ernst genommen zu haben.
Nicht selten behaupten belästigende Personen, das Ganze sei schlichtweg eine falsche Beschuldigung, wenn eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz im Raum steht. Den Belästigten wird dann im schlimmsten Fall vorgeworfen, Mobbing oder üble Nachrede zu betreiben.
Da sie sich ohnehin schon in einer schwierigen Situation befinden, ist es quasi ein weiterer Schlag ins Gesicht, wenn ihnen dann niemand glaubt. Müssen Beschäftigte am Arbeitsplatz eine sexuelle Belästigung ertragen, wirkt sich dies sowohl auf kurze Sicht als auch längerfristig auf ihr Wohlbefinden aus.
Mögliche kurzfristige Folgen von sexuellen Übergriffen auf der Arbeit sind die folgenden:
- Hilflosigkeit
- Ekel
- Schlaflosigkeit
- Schuld
- Ärger
- Magenprobleme
- Scham
- Angst
Auf längere Sicht kann eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz die folgenden Auswirkungen für die Betroffenen bedeuten:
- Konzentrationsschwierigkeiten
- Panikattacken
- Verminderung des Selbstvertrauens
- Beziehungsprobleme im Privatleben
- Minderwertigkeitsgefühle
- Depressionen
- Arbeitsunfähigkeit
Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz: Was Betroffene tun können
In der Regel geschieht eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz nicht etwa, um dadurch mit einer Person anzubandeln oder ein sexuelles Verhältnis herbeizuführen. Die belästigende Person muss sich dazu meist nicht einmal zu der belästigten hingezogen fühlen. Im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses geht es dabei vielmehr darum, die eigene Machtposition zu demonstrieren und die Autorität einer anderen Person herabzusetzen.
Allgemein zeigen diverse Urteile, dass eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz vorrangig Frauen betrifft. Doch was können Betroffene dagegen tun? Da jeder Vorfall anders zu bewerten ist, existiert leider keine pauschale Vorgehensweise bei sexuellen Übergriffen am Arbeitsplatz. Ist die Situation akut, kann es zunächst einmal hilfreich sein, die Person darauf hinzuweisen, dass Sie sich belästigt fühlen.
Grundsätzlich haben Arbeitgeber gemäß § 12 AGG die Pflicht, Beschäftigte zu schützen, sollte sich eine sexuelle Beschäftigung am Arbeitsplatz ereignen. Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die Opfer sexueller Übergriffe wurden, können allgemein Gebrauch von drei zentralen Rechten machen, um sich dagegen zu wehren:
- Beschwerderecht nach § 13 AGG: Betroffene können sich bei einer Beschwerdestelle bzw. dem Betriebsrat im Unternehmen (falls vorhanden) über die sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz beschweren. Gibt es beides nicht, können sie sich auch an den Arbeitgeber wenden.
- Leistungsverweigerungsrecht nach § 14 AGG: Da der Chef gesetzlich dazu verpflichtet ist, seine Beschäftigten vor Übergriffen sexueller Art zu schützen, haben Betroffene das Recht, die Leistung zu verweigern, sollte er tatenlos bleiben.
- Entschädigung und Schadensersatz nach § 15 AGG: Ist der Arbeitgeber seiner Pflicht zum Arbeitsschutz nachweislich nicht oder nicht ausreichend nachgekommen, kann sich für Betroffene gegebenenfalls ein Anspruch auf Schadensersatz ergeben.
Geht die sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz vom Chef selbst, dem Ausbilder oder einem anderen Vorgesetzten aus und es gibt im Unternehmen keine Beschwerdestelle oder einen Betriebsrat, können Sie zunächst einmal die Angebote diverser Hilfetelefone nutzen. Zu nennen wären da beispielsweise das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ (Tel.: 0800/0116016) oder die Hilfe- und Beratungsstelle der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (Tel.: 030/185551865). Wenn es hart auf hart kommt, kann auch der Besuch bei einem Anwalt für Arbeitsrecht empfehlenswert sein.
Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz: Welche Strafe ist möglich?
Generell müssen Beschäftigte, die auf der Arbeit sexuell übergriffig werden, zunächst einmal mit einer Abmahnung rechnen. Ändert sich das unangebrachte Verhalten auch in Zukunft nicht, kann auf eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz eine fristlose Kündigung folgen. Dabei handelt es sich jedoch lediglich um die arbeitsrechtlichen Konsequenzen.
Weiterhin sind strafrechtliche Folgen möglich. Wie diese genau aussehen können, regelt § 184i Absatz 1 des Strafgesetzbuchs (StGB). Dort heißt es:
Wer eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn nicht die Tat in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.“
E. meint
19. Januar 2023 at 7:15
Auf der Arbeit hat ein Anrufer nicht gemerkt, dass sich meine Voicemail eingeschaltet hat. Er hat seine Arbeitskollegen zu sich gerufen und diese auf mein Profilbild aufmerksam gemacht. Gemeinsam ließen sie ihren Gedanken freien Lauf. Sexuelle Handlungen sind eindeutig beschrieben, an der Einsatz körperlicher Gewalt. Sie haben sich knapp zwei Minuten köstlich amüsiert und lauthals Gelacht. Mein Name wurde eindeutig genannt.
Skype hat mir die Voicemail inkl. Name des Anrufers per Mail geschickt. Ich habe alle mir zur Verfügung stehenden Instanzen (Vorgesetzter, Personalabteilung, Sozialstelle, Betriebsrat, Compliance Officer) darüber informiert und auch private Schritte eingeleitet.
Zu wissen, dass Menschen (vermeintlich) denken, ist eine Sache, aber diese „Gedanken“ ohnmächtig zu hören, verändert alles.
Hanna meint
19. September 2022 at 19:34
Hallo, ein Kollege ist in den Kopierraum gekommen, während ich dort gescannt habe und hat sich am Server unten einen runter geholt. Ich habe psychische Probleme deswegen bekommen, habe durch zunehmende Sucht meine Partnerschaft, meine Wohnung und meinen Arbeitsplatz verloren. Kann ich gegen diesen Mann rechtlich vorgehen?
K.N. meint
31. August 2022 at 13:59
Weibliche Kollegin stellt eindeutige sexuelle Aufforderungen an einen männlichen (verheirateten) Kollegen. Vorgesetzte und Betriebsrat wollen nichts unternehmen, wären die Geschlechterrollen vertauscht, wäre es vermutlich sofort eine fristlose Kündigung gewesen…
Peter meint
3. Juni 2022 at 16:05
Habe meiner Kollegin,aus Spass einen Klapps auf den Po gegeben.Kann mir nun eine Kündigung ,wegen sexueller Nötigung drohen?
Petra meint
20. Dezember 2022 at 14:27
Das ist kein Spaß. Spaß hat da nur der Täter. Wie kommen Sie darauf das es Spaß ist? Ich hasse so etwas wie die Pest.
Markus meint
11. Januar 2023 at 12:34
„Aus Spass einen Klaps auf den Po gegeben“???
Unglaublich…
Joker meint
16. Oktober 2023 at 12:49
Um Ihre Frage zu beantworten: Nein, es wird aber sehr wahrscheinlich eine Abmahnung. Wiederholt sich das Ganze, entwickelt sich daraus eine fristlose Kündigung.
Ja meint
19. September 2021 at 12:30
Hallo! Ich wurde von meinem Chef sexuell belästigt. Er hat mich verbal und dann körperlich belästigt. Zu einem fühle ich mich furchtbar angeekelt, beschämt und gekränkt, zum anderen habe ich Angst gekündigt zu werden. Am liebsten würde ich selbst kündigen und ihn nie wieder sehen, aber meine schwierige finanzielle Situation lässt mich zögern.
Es ist erst gestern nach einer geschäftlichen Verhandlung passiert, deswegen bin ich noch ziemlich aufgelöst und durcheinander.
C.W. meint
31. März 2023 at 5:29
Mir ist das auch passiert und daraufhin habe ich mir kündigen lassen
I. meint
30. Juli 2020 at 17:45
Hallo
Ein Kollege beschuldigt mich das ich meine Vorgesetzte als [edit. v. d. Red.] bezeichnet haben soll. Daraufhin bekomme ich eine Abmahnung von meinen Arbeitgeber wegen Belästigung im Sinne des §2 (3)
was kann ich dagegen unternehmen
Mit freundlichen Grüßen