Das deutsche Sozialversicherungssystem besitzt eine lange zurückreichende Geschichte. So war es Reichskanzler Bismarck, der im Jahre 1883 zunächst die gesetzliche Krankenversicherung und später auch die Unfallversicherung sowie die Rentenversicherung eingeführt hat.
Kurz & knapp: Sozialversicherungspflicht
Bei der Sozialversicherung handelt es sich um ein System, welches der Absicherung von Beschäftigten dient. Besteht eine Sozialversicherungspflicht, müssen Betroffene Abgaben zur Sozialversicherung vom Bruttolohn abführen, um von den entsprechenden Versicherungsleistungen profitieren zu können. Mehr dazu hier.
In der Regel sind alle Beschäftigungen sozialversicherungspflichtig, bei denen das monatliche Einkommen über einer Grenze von 556 Euro liegt (vor Januar 2025: 538 Euro). Doch auch Empfänger von Arbeitslosengeld I und II fallen unter die Sozialversicherungspflicht.
Es gibt entweder die Möglichkeit, Sozialversicherungsfreiheit zu beantragen, oder diese besteht vom Gesetz her automatisch. Letzteres ist beispielsweise bei Selbstständigen, Beamten, Richtern oder Minijobbern der Fall.
Inhalt
Spezifische Informationen zur Sozialversicherungspflicht:
Über viele Jahrzehnte wurde das System verfeinert, wodurch auch die heutige an die Beschäftigung gekoppelte Sozialversicherungspflicht entstanden ist. Doch was definiert eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung? Ab wann müssen Arbeitnehmer Sozialversicherungsbeiträge zahlen? Gibt es Menschen, die nicht sozialversicherungspflichtig sind?
Antworten auf die obigen Fragen liefert Ihnen der vorliegende Ratgeber. Darüber hinaus beleuchtet dieser einige Beschäftigungsverhältnisse etwas genauer, wobei unter anderem Minijobber und Geschäftsführer betrachtet werden.
Was bedeutet es, sozialversicherungspflichtig zu sein?
Der Großteil der Arbeitnehmer in Deutschland unterliegt der Sozialversicherungspflicht. Dabei genießt jede Person, die sozialversicherungspflichtig (auch „sv-pflichtig“ genannt) beschäftigt ist, den Schutz der fünf Versicherungszweige. Dazu gehören:
- Die Arbeitslosenversicherung (Gesetzesgrundlage: Drittes Buch Sozialgesetzbuch)
- Die Krankenversicherung (Grundlage: Fünftes Buch Sozialgesetzbuch)
- Die Unfallversicherung (Grundlage: Siebentes Buch Sozialgesetzbuch)
- Die Rentenversicherung (Grundlage: Sechstes Buch Sozialgesetzbuch)
- Die Pflegeversicherung (Grundlage: Elftes Buch Sozialgesetzbuch)
Diese Versicherungen werden durch unterschiedliche Institutionen vertreten und greifen, sobald ein Versicherungsfall eintritt. Dabei haben Personen, die durch ihre Arbeit in die Sozialversicherung fallen, prinzipiell auch keine Entscheidungsgewalt. Das bedeutet: Eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit sorgt dafür, dass sich Betroffene nicht gegen die genannten Versicherungen entscheiden können, um etwa Beiträge einzusparen.
Es ist also in der Regel kein Einverständnis notwendig, damit die entsprechenden Versicherungen abgeschlossen werden. Es kommt automatisch zu einem Abzug vom Bruttogehalt, der unter den einzelnen Versicherern aufgeteilt wird. Die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge lässt sich bei gesetzlicher Pflicht auch durch eine nachträgliche Erklärung nicht abwenden.
Die Bedeutung der Einkommenshöhe
In Bezug auf die Sozialversicherungspflicht wurde eine Einkommensgrenze durch den Gesetzgeber festgelegt. Kommt es zur Überschreitung dieser, liegt ein sozialversicherungspflichtiges Einkommen vor, wodurch Betroffene Beiträge an die einzelnen Versicherungszweige zu zahlen haben. Aktuell liegt die Grenze bei 556 Euro. Ein Einkommen, dass diese Grenze nicht überschreitet, sorgt auch nicht für steuerliche Abzüge oder eine Sozialversicherungspflicht.
Das ändert sich jedoch bereits, wenn jemand für seine Arbeit 538,01 Euro im Monat erhält. Beiträge für Kranken-, Arbeitslosen-, Pflege- und Rentenversicherung sind dann unvermeidbar und werden automatisch abgezogen, wodurch sich Brutto- und Nettogehalt unterscheiden. Die Abgaben werden dabei stets zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgeteilt. Die Ausnahme bildet dabei die gesetzliche Unfallversicherung: Diese löste bei ihrer Entstehung die Unternehmerhaftung ab, wodurch ausschließlich Unternehmer als Mitglieder der Berufsgenossenschaft Beiträge dafür entrichten.
Innerhalb der Gleitzone kommt es jedoch zur Steigerung der Sozialversicherungsbeiträge. Das bedeutet, dass ein Arbeitnehmer mit einem Bruttogehalt von 820 Euro mehr Abzüge hat als ein Kollege, der 540 Euro im Monat verdient. Weiterhin ist zu beachten:
- Die Berechnung der präzisen Beitragszahlungen innerhalb der Gleitzone ist eher kompliziert. Im Internet können sich Betroffene jedoch mithilfe von Tabellen über genaue Prozentsätze informieren.
- Die Gleitzonenregelung gilt so nicht für Auszubildende, deren Vergütung im betreffenden Bereich liegt. So urteilte das Bundessozialgericht, dass der Anreiz der Sonderregel für den Niedriglohnsektor gedacht und im Berufsausbildungsverhältnis nicht notwendig ist (Az. B 12 KR 14/08 R).
- Beschäftigte können den Wunsch äußern, dass trotz Gleitzone das tatsächliche Bruttoeinkommen für die Beitragsberechnung der Rentenversicherung genutzt wird. So kommt es im Versicherungsfall zu höheren Rentenansprüchen.
Sozialversicherungspflicht im Minijob
Prinzipiell sind Angestellte, die einen Minijob ausüben, nicht sozialversicherungspflichtig. Ihre Tätigkeit, die auch als geringfügige Beschäftigung betitelt wird, zeichnet sich durch eine Vergütung aus, welche die 556-Euro-Grenze nicht überschreitet. Doch die Befreiung von der Sozialversicherungspflicht wurde zum Jahr 2013 etwas modifiziert. Seitdem gilt: Auch Minijobber müssen Beiträge zu Rentenversicherung entrichten. Es besteht jedoch prinzipiell die Möglichkeit, sich auf Wunsch davon befreien zu lassen.
Dabei stellt sich mitunter die Frage: Ist es in Bezug auf die Sozialversicherungspflicht bedeutsam, wenn Minijobber durch Urlaubsgeld oder Weihnachtsgeld die monatlichen 556 Euro überschreiten? Tatsächlich sorgt eine solche vorhersehbare Überschreitung des jährlichen Entgelts von 6.672 Euro dafür, dass kein Minijob mehr vorliegt und Beiträge zu entrichten sind.
Kurzfristige Beschäftigungen
Bezüglich der Sozialversicherungspflicht ist auch die kurzfristige Beschäftigung erwähnenswert. Diese liegt vor, wenn von vornherein klar ist, dass das Arbeitsverhältnis nicht länger als drei Monate oder auch 70 Arbeitstage bestehen wird. Welche der beiden Varianten maßgebend ist, hängt von der Wochengestaltung ab:
- Bei einer Arbeitswoche mit fünf oder sechs Arbeitstagen, gilt der Zeitraum von drei Monaten.
- Arbeitet ein Angestellter weniger als fünf Tage in der Woche, definiert sich die kurzfristige Beschäftigung über die maximalen 70 Arbeitstage.
Prinzipiell führt auch eine kurzfristige Beschäftigung nicht dazu, dass es zur Sozialversicherungspflicht kommt. Eine Bedingung dafür ist jedoch, dass keine berufsmäßige Anstellung vorliegt. Berufsmäßig ist eine kurzfristige Beschäftigung beispielsweise, wenn zur gleichen Zeit eine Form von Arbeitslosengeld bezogen oder während eines Urlaubs bzw. einer Elternzeit gearbeitet wird. Monatlich darf das Entgelt auch in diesem Fall 556 Euro nicht überschreiten (jährlich 6.672 Euro).
Sozialversicherungspflicht als Student beachten
Die Sozialversicherungspflicht steht auch oft zur Diskussion, wenn es um Praktikanten oder Studenten geht, für die Pflichtpraktika vorgeschrieben sind. Hierbei lässt sich nicht eine einfache Regelung formulieren, die in jedem Fall anzuwenden ist. Es gelten nämlich verschiedene Vorgaben, die je nach Beschäftigungsbedingungen Anwendung finden.
Komplizierter gestaltet sich der Fall, wenn vor oder nach dem Studium ein Praktikum angestrebt wird. Dabei liegt in der Regel noch nicht oder keine Immatrikulation mehr vor, weshalb die Vergütung ein entscheidender Faktor in puncto Sozialversicherung ist. So wird meistens zwischen drei Fällen unterschieden:
- Unbezahltes Praktikum: Liegt keine Familienversicherung vor, müssen Praktikanten allein für Kranken- und Pflegeversicherung aufkommen. Arbeitgeber sind daran unbeteiligt. Diese kümmern sich mit Pauschalbeiträgen nur um Arbeitslosen- und Rentenversicherung.
- Praktikum mit Vergütung unter 325 Euro: Hierbei wird die sogenannte Geringverdienergrenze unterschritten. Dadurch übernimmt der Arbeitgeber allein alle Zweige der Sozialversicherung.
- Praktikum mit Vergütung über 325 Euro: Die regulären Beitragssätze der Sozialversicherungspflicht gelten hier sowohl für Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber. Die Gleitzonenregelung findet bei Praktikanten grundsätzlich keine Anwendung.
Sozialversicherungspflicht für Geschäftsführer
Auch bei Geschäftsführern steht die Frage der Sozialversicherungspflicht oft im Raum. Ähnlich wie bei Studenten, die ein Praktikum absolvieren, sind dabei die genauen Umstände bedeutsam. So ist darauf zu achten, welcher Gesellschaftssatzung ein Geschäftsführer angehört. Darüber hinaus ist entscheidend, ob derjenige als Arbeitnehmer oder als Arbeitgeber einzustufen ist.
Sogenannte Fremdgeschäftsführer gelten beispielsweise als leitende Angestellte. Daraus folgt, dass sie der Krankenversicherungspflicht unterfallen, wenn ihr regelmäßiger Jahresarbeitsverdienst 75 Prozent der Beitragsbemessungsgrenzen nicht übersteigt, die für die Jahresbezüge der Rentenversicherung der Arbeiter gelten. Bei den restlichen Versicherungszweigen beeinflusst die Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Unterscheidung die Sozialversicherungspflicht. Die Weisungsgebundenheit des Geschäftsführers ist dabei ebenfalls maßgebend.
Geschäftsführer besitzen darüber hinaus nur eingeschränkt die Möglichkeit, sich freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung zu versichern. Bei der gesetzlichen Arbeitsversicherung ist es sogar völlig unmöglich. Anders sieht es bei der gesetzlichen Rentenversicherung aus. Dort ist ein freiwilliger Eintritt auch für Geschäftsführer möglich.
Matthias meint
18. Juni 2024 at 4:55
Guten Tag,
ich habe eine Frage über die Sozialversicherungen bei Schwerbehinderten die in Werkstätten arbeiten. Sie bekommen wesentlich weniger als den Mindestlohn, sind also nicht Sozialversicherungspflichtig.
Wie wirkt das dann auf die Ausschüttung als Pflegefall, in der Rente, Arbeitslosigkeit oder Krankheit aus?
Mit freundlichen Grüßen
Tamunia meint
27. Juni 2023 at 18:55
Hallo, ich frage mich, welche finanzielle Unterstützung Sie als Dialysepatient erhalten? Ich habe keine Rente weil ich nicht arbeite,ich habe eine 100-prozentige Schwerbehindertenausweis. Danke
Julia meint
25. August 2022 at 7:18
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich bin Österreicherin und werde ab Ende September einen Werkvertrag an der FU in Berlin annehmen. Ich kenne das deutsche Sozial- und Steuersystem nicht – wie würden Sie mir raten vorzugehen, wenn ich Beratung in Anspruch nehmen muss/möchte?
Freundliche Grüße
Julia
Karla meint
31. Januar 2023 at 13:20
Hi
Anonym meint
19. Januar 2021 at 14:52
Hallo,
Sehr informatives Artikel, vielen Dank.
Trotz all diesen Informationen, bin ich mir etwas unschlüssig, zu welchen Kriterien dieses Spezialfall zählen würde:
– Man hat über Jahren bei einem Arbeitgeber Vollzeit unbefristet gearbeitet.
– Danach hat man das Arbeitsverhältnis gekündigt und mit Studium Vollzeit begonnen. Man gilt offiziell als Student. Im Jahr 2021 nicht gearbeitet und bezieht seit September 2020 BAföG in Höhe von 860€.
– Man möchte mit dem ursprünglichen Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis wieder aufbauen, aber nur für etwa 1,5 Monaten. Wir nehmen einen Brutto-Verdienst von 3500€ über diese Zeit Periode an.
Jetzt die Fragen:
– Wie ist das, wenn man in dieser Zeit Periode zusätzlich Spesen bekommt, zählen sie zu einem Einkommen dazu, oder werden sie außenvor stehen gelassen? Man geht von einer Arbeit im Ausland aus, der Stammsitz vom Arbeitgeber ist in Deutschland.
– Ist man verpflichtet die Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen oder nicht? Wenn ja, aus welchen Gründen?
– Welcher Vertragsart würde sich hier am besten anbieten (Befristeter Arbeitsvertrag, Praktikantenvertrag usw. )?
Über ein Antwort wäre ich Ihnen sehr dankbar.
Mit freundlichen Grüßen,