Eine Infektion mit Corona, zu der es wegen der Arbeit kam, kann als Berufskrankheit gelten. Dies entschied das Sozialgericht (SG) Duisburg im Fall einer Kinderpflegerin, die sich während der Pandemie im Rahmen ihrer beruflichen Alltagstätigkeit mit dem COVID-19-Virus infiziert hatte. Das Gericht erkannte ihre Erkrankung vollumfänglich als berufsbedingt an, da die Betroffene einer hohen und besonderen Übertragungsgefahr ausgesetzt war. Das Urteil kann wegweisend für nachfolgende Fälle sein, in denen über die Anerkennung einer Corona-Infektion als Berufskrankheit entschieden wird.
Krankenpflegerin deklarierte Corona-Infektion als Berufskrankheit
Eine Kinderpflegerin, die in einer städtischen Kindertageseinrichtung in einer Gruppe mit 26 Kindern arbeitete, verließ ihre Arbeitsstelle während der Pandemie am 26.03.2021 vorzeitig wegen Erkältungssymptomen. Seit dem 24.03.2021 hatte die Frau sich bereits matt und kraftlos gefühlt. Wenige Tage danach, am 31.03.2021, wurde sie mittels PCR-Test positiv auf eine SARS-CoV-2-Infektion (COVID 19) getestet.
Nach Ihrer Genesung litt die Kinderpflegerin jedoch nunmehr an weiterhin bestehenden Symptomen wie Kurzatmigkeit sowie am Verlust ihres Geschmacks– und Geruchssinns. Um ihre Infektion mit Corona als Berufskrankheit zu deklarieren, zeigte die Stadtverwaltung hierauf die COVID-19-Infektion der Kinderpflegerin am 05.05.2021 mit Unfallanzeige der betroffenen Klägerin bei der Versicherung an.
Versicherer lehnte Anerkennung der Corona-Erkrankung als berufsbedingt ab
Diese jedoch wies die Anerkennung der Corona-Infektion als Berufskrankheit bei der Klägerin am 31.08.2021 ab. Als Begründung führte sie hierbei auf, dass weder ein positives Testergebnis vorliege, noch eine Indexperson bekannt sei. Darauf erhob die Klägerin am 13.09.2021 Widerspruch gegen den Bescheid. Ihrem Widerspruch fügte Sie dabei eine Bescheinigung des Landrats ihres Kreises, ein positives PCR-Testergebnis vom 31.03.2021 sowie eine Immunisierungsbescheinigung zum Nachweis der COVID-19-Infektion hinzu.
Weiterhin begründete die Klägerin Ihren Widerspruch damit, dass die Nennung einer Indexperson unmöglich sei: Die Größe der von ihr betreuten Kindergruppe sei zum Infektionszeitpunkt wegen Erkrankungen unter den Kindern bereits reduziert gewesen. Überdies habe es damals noch keine Testpflicht für Kinder gegeben. Weiterhin sei es der Klägerin unmöglich gewesen, Abstand zu anwesenden Kindern zu halten, die ebenfalls husteten und niesten; etwa habe sie deren Nasen putzen müssen.
Der eingelegte Widerspruch blieb erfolgslos. Das SG Duisburg, das sich des Falls in zweiter Instanz annahm, entschied mit seinem Urteil vom 13.6.2023 (Az. S 36 U 38/22) allerdings zugunsten der Klägerin und bestätigte, dass ihre Erkrankung an Corona als Berufskrankheit zu bewerten sei.
Sozialgericht sieht Corona-Infekt als Berufskrankheit: Ansteckung war berufsbedingt unvermeidlich
Mit seinem Urteil legte das Gericht fest, dass die COVID-19-Infektion der Klägerin gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 Siebtes Sozialgesetzbuch (SGB VII) in Verbindung mit der Nr. 3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) eine Berufskrankheit darstelle.
Die Kammer erachtete den Corona-Infekt der Klägerin als Berufskrankheit, weil Sie zum Zeitpunkt Ihrer Erkrankung in der Wohlfahrtspflege tätig war und aufgrund ihrer damit einhergehenden Berufsverpflichtungen einer besonders hohen Infektionsgefahr ausgesetzt war. Zudem habe diese Gefahr mit hinreichende Wahrscheinlichkeit zu einer Ansteckung mit COVID-19 geführt, da unter anderem die erforderliche Abstandregelung wegen der Pflichtausübung nicht realisierbar war. Diesbezüglich führte das Gericht in seiner Urteilverkündung aus:
Die Klägerin war auch aufgrund ihrer Tätigkeit als Kinderpflegerin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einer besonders erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt. […] So hat die Klägerin glaubhaft angegeben, dass viele der betreuten Kinder Krankheitssymptome gezeigt haben und zudem die empfohlenen Schutzmaßnahmen nur sehr eingeschränkt eingehalten werden konnten. Die Klägerin habe täglich Kontakt mit Kindern gehabt, die COVID-19-spezifische Symptome in Form von Husten und Schnupfen gezeigt haben.
Urteil des SG Duisburg vom 13.02.2023 (Az. S 36 U 38/22)
Weiterhin sei die Angabe einer Indexperson in Anbetracht der gegebenen Umstände, die zur Infektion geführt haben, nicht erforderlich: Die Durchseuchung in der Kindertageseinrichtung zur Infektionszeit sei wegen fehlender Testungen der Kinder nicht mehr feststellbar. Aus diesem Grund könne angesichts der damals hohen Durchseuchung der Gesamtbevölkerung nicht ausgeschlossen werden, dass ein COVID-19-Erreger im Arbeitsumfeld der Klägerin zirkulierte.
Der Urteilsspruch des SG Duisburg kann bahnbrechend für zukünftige Verfahren werden, in denen geklärt werden muss, ob eine eine Corona-Infektion als Berufskrankheit anerkannt wird oder nicht. Bisher war insbesondere der fehlende Nachweis einer Indexperson zum Infektionszeitpunkt ein oftmals vorgebrachter Ablehnungsgrund seitens der Versicherer. Die Entscheidung des Gerichts kann einen Richtungswechsel für nachfolgende Entscheidungen bedeuten.
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